Guten Morgen Österreich!
Wir begrüßen Sie bei unserem wirtschaftspolitischen Briefing um 7 Uhr! Heute zusammengestellt und editiert von Stephan Frank, Gregor Plieschnig und Christoph Hofer – wir melden uns aus Wien.
News – das müssen Sie heute wissen:
Konjunktureinschätzung leicht verbessert. Der monatliche Wifo-Konjunkturklimaindex steigt um +2,2 Punkte und liegt im Mai bei -4,9 Punkten. Der Index der aktuellen Lagebeurteilung der Gesamtwirtschaft steigt im Mai um +2,7 Punkte, liegt aber mit -4,0 Punkten weiterhin im negativen Bereich. In allen Branchen bis auf den Dienstleistungsbereich hat sich die Stimmungslage verbessert: Die Erwartungen in der Industrie steigen um +4,4 Punkte. Sie bleiben mit -7,7 Punkten zwar weiterhin negativ, erreichen damit aber den höchsten Stand seit Mai 2023. Im Einzelhandel gibt es ein Plus von +5,9 Punkten (auf -11,8 Punkte), die Bauwirtschaft verzeichnet +4,2 Punkte und erreicht einen positiven Saldo von +2,2 Punkten. Der Dienstleistungsbereich verliert -3,1 Punkte und steht nun bei -5,1 Punkten. [Quelle: Wifo]
Kommentar: Kurz hatte seine Chance
von Georg Renner

Die Kurz-Nostalgie, die da jetzt stellenweite aufkommt, ist ein guter Anlass, darüber nachzudenken, was von Sebastian Kurz‘ bisheriger Zeit in der österreichischen Politik bleibt. Wenn man die Corona-Krise einmal beiseite lässt: Vor allem verschwendetes Potenzial. Das soll nicht heißen, dass es in der Ära Kurz keine sinnvollen Schritte gegeben hat. Aber gemessen an den Erwartungen, die Kurz selbst geschürt hat und für die er auch das politische Kapital gehabt hätte: Da hätte weit mehr gehen müssen.
Grafik (von Christoph Hofer): Die Lesekompetenz von Pflichtschulabgängern, BMS- und Lehrabsolventen in Österreich ist im Zehnjahresvergleich deutlich gesunken. Laut der OECD-Erhebung PIAAC (Survey of Adult Skills) fiel sie von 2011/12 bis 2022/23 signifikant um 16,1 bis 17,4 Punkte. Geringere, statistisch nicht signifikante Rückgänge zeigten sich bei Absolventen von BHS und AHS. Besonders stark betroffen sind Personen in Dienstleistungs-, Handwerks- und Maschinenbedienungsberufen, in der Land- und Forstwirtschaft sowie Hilfsarbeitskräfte. Der Kompetenzverlust ist bei älteren Altersgruppen ausgeprägter als bei jüngeren. Als ein Grund für den Rückgang wird die starke Abnahme des Konsums komplexer Lesematerialien wie Zeitungs- und Magazinartikel oder Newsletter angegeben. [Quellen: Statistik Austria, OECD/PIAAC]

Stimmung in österreichischer Industrie steigt. Der Einkaufsmanagerindex der UniCredit Bank Austria steigt im Mai auf ein 28-Monats-Hoch von 48,6 Punkten. Der Index liegt damit jedoch weiterhin unter der Wachstumsschwelle von 50,0 Punkten. Der Produktionsindex steigt im Mai auf 50,2 Punkte und signalisiert damit erstmals seit 3 Jahren eine Ausweitung der Produktionsleistung. Auch die Produktionserwartungen für die nächsten 12 Monate steigen im Mai weiter und übertreffen mit 56,1 Punkten den langjährigen Durchschnitt. Laut Bank Austria-Chefökonom Stefan Bruckbauer hat die heimische Industrie „die Turbulenzen rund um die erratischen US-Zollankündigungen bisher verdauen können“, aber die Risiken für eine erneute Abschwächung sind „nach wie vor nicht gebannt“. [Quellen: Bank Austria, Stefan Bruckbauer auf Bluesky]
KV-Abschluss in der Flughafenbranche. Die Löhne und Gehälter für die 6.500 Arbeiter und Angestellten in der Flughafen-Branche steigen rückwirkend ab 1. Mai 2025 um 3,3 %. Man hat „ohne gröbere Auseinandersetzungen“ ein „für beide Seiten akzeptables Ergebnis“ erreicht, so die Chefverhandler von Wirtschaftskammer und Gewerkschaft in einer gemeinsamen Aussendung. [Quelle: WKO/vida/GPA]
E-Commerce sichert 250.000 Arbeitsplätze. Im Jahr 2023 erzielten Unternehmen in Österreich über digitale Vertriebskanäle einen Umsatz von 57,9 Mrd. Euro. Der Anteil am Gesamtumsatz stieg von 5,3 % auf 7,3 %. Der direkte Beitrag von E-Commerce zur österreichischen Wertschöpfung lag bei 4,3 Mrd. Euro, der indirekte bei 8,8 Mrd. Euro – gesamt 13,1 Mrd. Euro. Zusammen mit den vorgelagerten Bereichen Logistik, IT, Marketing und Zahlungsdienstleistungen hängen rund 250.000 Arbeitsplätze an E-Commerce-Aktivitäten. Österreich lag 2023 zwar erstmals über dem EU-27-Schnitt, „damit Österreich zu den Spitzenländern aufschließen kann, braucht es allerdings gezielte politische Unterstützung – insbesondere beim Zugang zu digitalen Technologien, Finanzierung und Know-how“, fordert EcoAustria-Studienautor Wolfgang Schwarzbauer. [Quelle: EcoAustria]
Neue Anlaufstelle für Entbürokratisierung. Deregulierungs-Staatssekretär Sepp Schellhorn (Neos) richtet eine Servicestelle für Entbürokratisierung im Außenministerium ein. Die Besetzung dieser soll durch eine unabhängige Kommission erfolgen, die 8 zu vergebenden Stellen via Jobbörse.gv.at ausgeschrieben werden. Die Entbürokratisierungs-Servicestelle werde Anliegen und Beschwerden von Bürgern entgegennehmen sowie Vereinfachungsvorschläge erarbeiten. Im Selektiv-Interview gab Schellhorn vor kurzem das Ziel aus, das Berichtswesen in Österreich bis Ende der Legislaturperiode um 50 % reduzieren zu wollen. [Quellen: Der Standard, Selektiv]
Defizitverfahren startet Anfang Juli. Laut Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ) wird das Defizitverfahren gegen Österreich am 8. Juli beim Treffen der EU-Finanzminister (ECOFIN) eingeleitet werden. [Quelle: Marterbauer im Bundesrat]
15 Mio. Euro Förderung für Exportbetriebe. Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP) und WKO-Präsident Harald Mahrer haben ein Förderpaket i. H. v. 15 Mio. Euro präsentiert. Dieses „Chancenpaket“ soll exportorientierten Betrieben zugutekommen und ein Potenzial von 21 Mrd. Euro heben. [Quelle: BMWET/Hattmannsdorfer]
OeNB-Gouverneur fordert Zinspause. Der Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB), Robert Holzmann, spricht sich für eine Zinspause der EZB bis mindestens September aus. Es gäbe „keinen Grund“ für die EZB, die Zinsen in den Sitzungen im Juni und Juli zu senken. Eine Zinssenkung hätte „keinen Effekt“ auf die wirtschaftliche Aktivität in der Eurozone, denn restriktive Geldpolitik sei nicht der Grund für die schleppende Wirtschaftsentwicklung, sondern „extreme Unsicherheit“. Der französische Notenbankchef François Villeroy de Galhau sieht die Normalisierung der Zinsraten hingegen noch nicht abgeschlossen, unter anderem sei die sehr niedrige französische Inflation von 0,6 % ein „vielversprechendes Signal der Disinflation“. [Quellen: Financial Times, Reuters]
Industrie, Klima, Sicherheit: Weichenstellungen auf EU-Ebene. Der Rat der Europäischen Union hat gestern grünes Licht für das Verschieben der CO2-Flottengrenzwerte gegeben, die Novelle kann damit in Kraft treten. Im Bereich des CO2-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) wurde die Verhandlungsposition abgestimmt, die weiteren Verhandlungen zwischen Ratspräsidentschaft und Europäischem Parlament können damit beginnen. Zudem wurde das Finanzierungsinstrument „Security Action for Europe“ (SAFE) verabschiedet. Es ermöglicht Mitgliedstaaten, bis zu 150 Mrd. Euro für gemeinsame Beschaffungen im Verteidigungsbereich abzurufen. [Quelle: Rat der Europäischen Union – Grenzwerte, CBAM, SAFE]
Europas Stahlindustrie unter Druck. Die weltweite Stahlproduktion dürfte bis Ende 2027 um +6,7 % steigen (+165 Mio. Tonnen). Die Preise für Stahl sind in den letzten Jahren gesunken – eine Trendumkehr zeichnet sich aktuell nicht ab. Dies dürfte laut OECD weiteren Druck auf die europäische Stahlindustrie ausüben. Auch weil als Folge der US-Zollpolitik vermehrt Importe günstigen Stahls aus Asien nach Europa zu erwarten sind. Die chinesischen Stahlexporte haben sich seit 2020 verdoppelt, die staatlichen Subventionen in China sind 10-mal höher als in den OECD-Ländern. [Quelle: OECD]
Deutschland droht weiteres Rezessionsjahr, Kauflaune schwach. Deutsche Unternehmen rechnen laut einer Umfrage heuer mit einem Schrumpfen der Wirtschaft um -0,3 % und dem 3. Rezessionsjahr in Folge. Das Wachstum im 1. Quartal dürfte auf Vorzieheffekte vor dem Inkrafttreten der US-Zölle zurückzuführen sein. Angst vor eben jenen US-Zöllen und die allgemeine Unsicherheit drücken weiterhin auf die Kauflaune der Deutschen. Der Konsumklimaindikator prognostiziert für Juni nur einen schwachen Anstieg um +0,9 Zähler auf -19,9 Punkte. Die neue Regierung will dem entgegenwirken und kündigt noch für das laufende Jahr Investitionen i. H. v. 110 Mrd. Euro im Zuge des deutschen Sondervermögens an. [Quellen: DIHK-Umfrage, Konsumklimaindikator, Börse.de]
Auftragseinbruch in US-Industrie. Nach 4 Monaten durchgehender Zuwächse verzeichnete die US-Industrie im April einen deutlichen Rückgang der Auftragseingänge um -6,3 %. Der Wert der Neuaufträge sank um -19,9 Mrd. US-Dollar auf 296,3 Mrd. US-Dollar. Der Rückgang ist vor allem auf den Auftragseinbruch bei zivilen Flugzeugen zurückzuführen. Den Fahrzeug- und Transportsektor ausgenommen wären die Neubestellungen um +0,2 % gestiegen. Die Konsumentenstimmung hingegen steigt nach 5 Monaten Rückgang wieder: Von 85,7 Punkten im April auf 98,0 Punkte im Mai. [Quellen: U.S. Census Bureau, The Conference Board, Medienberichte]
Selektive Agenda:
Heute, Jerusalem, Israel: Staatssekretär Pröll in Israel
9:00 Uhr, Wien, Österreich: Bekanntgabe Statistik Austria zu Frühschätzungen zu Industrie und Bau im April sowie Immobilien-Durchschnittspreise 2024
10:00 Uhr, Wien: Ministerrat – davor Doorsteps mit Justizministerin Sporrer, Europaministerin Plakolm und Neos-Klubobmann Shetty; danach Pressefoyer mit Europaministerin Plakolm, Sozialministerin Schumann und Neos-Klubobmann Shetty [Info]
10:00 Uhr, Nürnberg, Deutschland: Bekanntgabe der Arbeitsmarktdaten für Deutschland im Mai
Selektives Networking:
Jobwechsel und Karriereschritte: Karl Weber folgt Sandra Böhmwalder als Bundesrat nach. Matthias Zauner wird Landtagsabgeordneter in Niederösterreich. Andrea Kolassa übernimmt die Leitung der Kfz-Fachabteilung in der Wiener Städtischen. Petra Wagner übernimmt die MA 49.
Geburtstage: Wir gratulieren Erwin Hameseder, Werner Amon und Lukas Brandweiner zum Geburtstag!
Sehen & gesehen werden:
15:00 Uhr, Wien: Europa-Gala und Verleihung des Europa-Staatspreises 2025 durch Europaministern Plakolm in den Sofiensälen [Info]