Morning in Brief

Morning in Brief, 30. Jänner 2025

Guten Morgen Österreich!

Wir begrüßen Sie bei unserem wirtschaftspolitischen Briefing um 7 Uhr! Heute zusammengestellt und editiert von Sara Grasel, Gregor Plieschnig, Stephan Frank und Christoph Hofer – wir melden uns aus Wien.

News – das müssen Sie heute wissen:

„Competitiveness Compass“. Die EU-Kommission hat gestern ihren „Kompass“ für mehr Wettbewerbsfähigkeit vorgestellt. Der Fokus liegt auf Innovation, Dekarbonisierung und Diversifizierung. Zu den konkreten Maßnahmen gehört eine 28. Rechtsordnung mit einfacheren Regeln bei Gesellschaftsrecht, Insolvenzen, Arbeits- und Steuerrecht für Startups und Scaleups. Berichtspflichten sollen gesenkt werden – schon im Februar starten konkrete Maßnahmen bei Nachhaltigkeit und Taxonomie. Mit einem nicht näher definierten „Affordable Energy Action Plan“ will die EU hohe Energiepreise in den Griff bekommen. Bestehende EU-Finanzinstrumente sollen in einem Fonds für Wettbewerbsfähigkeit zusammengefasst werden und so mehr privates Kapital hebeln. Neue Spar- und Anlageprodukte auf EU-Ebene werden nach Vorstellung der EU mehr Liquidität für Industrieunternehmen bringen. Für 26. Februar wird der „Clean Industrial Deal“ der EU erwartet. [Quelle: Präsentation, Aussendung | Service: Competitiveness Compass als PDF].

Kommentar: Wie sich die EU einen „Vereinfachungsschock“ vorstellt
von Sara Grasel

Sara Grasel Illustration

Ein Bereich, auf den bei der Präsentation des „Competitiveness Compass“ alle Augen gerichtet waren, ist die Regulierungswut der EU. Die kalte Dusche für Bürokratie-Auswüchse sieht so aus: Im Februar startet der erste „Simplification Omnibus“. Der soll Einschnitte bei nachhaltiger Finanzberichterstattung, Sorgfaltspflichten zur Nachhaltigkeit und Taxonomie bringen. Dass die EU bei der Wettbewerbsfähigkeit auf die Tube drückt, wie sie betont, ist aber nur schwer zu erkennen.

Grafik (von Christoph Hofer): Seit Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon im Jahr 2010 hat sich das Volumen der EU-Gesetzgebung auf knapp 20 Mio. Wörter verdoppelt. Bestand ein durchschnittlicher EU-Rechtsakt im Jahr 2000 noch aus rund 54.000 Wörtern, waren es 2024 knapp 160.000 Wörter. Vor allem die Zahl an direkt anwendbaren EU-Verordnungen nahm in dieser Zeit deutlich zu. [Quelle: CEPOS]

Bankenabgabe war kein Thema in Untergruppe. Gestern tagte im Zuge der Regierungsverhandlungen die Untergruppe zum Thema Finanzen – die Bankenabgabe soll laut Berichten aber kein Thema gewesen sein. Gemäß Kronenzeitung und ZIB2 soll jedoch am Abend noch in kleinerer Runde mit den Parteichefs weiterverhandelt worden sein. Einig soll man sich über eine Lohnnebenkostensenkung sein, arbeitende Pensionisten sollen entlastet werden und für Vollzeit-Arbeit und Überstunden soll es steuerliche Anreize geben. Die Arbeiterkammer forderte gestern einen Beitrag der Banken zur Budgetkonsolidierung in Höhe von 1 Mrd. Euro pro Jahr bis 2029 – durch eine Anhebung der bestehenden Bankenabgabe und einen Sonderbeitrag. Die Industriellenvereinigung wies darauf hin, dass Banken bereits Bankenabgabe bezahlen würden sowie Körperschaftssteuern, die in Österreich über dem EU-Schnitt liegen. Eine weitere Belastung der Banken könne das Wirtschaftswachstum hemmen. [Quellen: AK, IV, Krone, ZIB2, Medienberichte]

Energieverbrauch sinkt bis 2040. Die Nutzung erneuerbarer Energieträger könnte in Österreich bis 2040 von derzeit 40 Prozent auf 97 Prozent ansteigen – die Emissionen im Energiebereich würden dadurch um 96 Prozent sinken. Der Strombedarf soll sich bis 2040 verdoppeln, aber der Gesamtenergieverbrauch durch Effizienzsteigerungen um 21 Prozent sinken. Die Energieagentur empfiehlt einen stärkeren Ausbau der Windkraft. Windkraft und Photovoltaik gleichmäßig auszubauen, wie im Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz vorgesehen, könnte zu Versorgungslücken im Winter führen. Die Stromproduktion aus Windkraft müsste sich bis 2040 fast versechsfachen. [Quelle: Austrian Energy Agency | Grafik: Wo in Österreich Windräder stehen

Industrie nach wie vor unter Druck. Die Umsätze in der Industrie sanken im Dezember im Jahresvergleich um 9,6 Prozent, im Bau stiegen die Umsätze mit 0,3 Prozent nur schwach – insgesamt gibt es im produzierenden Bereich ein Umsatzminus von 8,0 Prozent. Für die Statistik Austria ist weiterhin keine Trendwende in Sicht. Die Bank Austria sieht hingegen Hoffnung auf eine leichte Verbesserung der Industriekonjunktur, ihr Einkaufsmanagerindex steigt von Dezember auf Jänner um 2,5 Punkte auf insgesamt 45,7 Zähler. Die Industrie bleibt somit in der Rezession, jedoch hat sich die negative Entwicklung abgeschwächt, auch die Auftragslage habe sich laut Bank Austria verbessert. [Quellen: Bank Austria, Statistik Austria

Stromverbrauch im Dezember. Erneuerbare Energien konnten den österreichischen Strombedarf zuletzt nur zu 65 Prozent decken. Der Strombedarf lag im Dezember 2024 bei 5.174 Gigawattstunden und somit rund 4,5 Prozent höher als 2023. Davon konnten 2.080 GWh durch Wasserkraft, 927 GWh durch Windkraft und 134 GWh durch Photovoltaik gedeckt werden. Nur an drei Tagen exportierte Österreich bilanziell Strom ins Ausland. Für das Gesamtjahr 2024 ergibt sich dennoch ein Strom-Export-Rekord von insgesamt 4.747 GWh (2023: 1.844 GWh). [Quelle: APG | Grafik: Woher stammt unser Strom?]

Weniger Investitionen, 36.673 Gründungen. Ein Viertel der Unternehmen in Österreich plant laut dem Wirtschaftsbarometer der Wirtschaftskammer derzeit keine Investitionen. Die Senkung der Lohnnebenkosten, mehr Leistungsanreize im Steuersystem sowie eine Attraktivierung des Unternehmertums seien zentrale Forderungen der Unternehmen an die Politik. Die Zahl der Neugründungen blieb im vergangenen Jahr mit 36.673 stabil. [Quellen: WKÖ, Wirtschaftsbarometer, Neugründungsbericht]  

Industrie-Wasserstoff-Projekt. Am Montag beginnt die Planungsphase für das Hydrogen Industrial Inland Valley Austria (HI2) in der Steiermark, Oberösterreich und Kärnten mit Schwerpunkt auf die Dekarbonisierung der heimischen Industrie. Die Planungsphase soll Ende 2026 abgeschlossen werden, bis Ende 2028 sollen die Anlagen dann in Betrieb gehen. [Quelle: Landesregierungen OÖ, Steiermark, Kärnten

Bundesanleihen. Die Republik hat sich gestern mit der Ausgabe zweier Bundesanleihen 6,5 Mrd. Euro frisches Kapital vom Markt geholt. 5 Mrd. Euro wurden durch eine neue 10-jährige Anleihe lukriert, 1,5 Mrd. durch die Aufstockung einer grünen Anleihe mit Laufzeit bis 2049. Beide Papiere waren 8,5-fach überzeichnet. [Quelle: Österreichische Bundesfinanzierungsagentur]

Kreditvergaben Eurozone. Im Dezember stieg die Zahl der Kreditvergaben in der Eurozone um 1,5 Prozent an, der stärkste Anstieg seit eineinhalb Jahren. Im November wuchs die Kreditvergabe im Vergleich zum Vormonat um ein Prozent. Die Geldmenge M3, zu der Bargeld, Einlagen auf Girokonten sowie Geldmarktpapiere und Schuldverschreibungen zählen, wuchs im Dezember um 3,5 Prozent. Ökonomen hatten mit 3,8 Prozent gerechnet. [Quelle: EZB, Medienberichte] 

Weniger Wachstum in Deutschland. Der Jahreswirtschaftsbericht der deutschen Regierung geht für 2025 nur noch von einem Wachstum von 0,3 Prozent aus, davor war man von einem Plus von 1,1 Prozent ausgegangen. Strukturelle Probleme wie Arbeits- und Fachkräftemangel, überbordende Bürokratie und Investitionsschwäche, sowohl bei privaten als auch bei öffentlichen Investitionen, hätten die Prognose pessimistischer gemacht. Während die Gesamtwirtschaft damit heuer nach zwei Jahren Rezession trotzdem auf Wachstum hoffen kann, sehen die Prognosen für die Exportindustrie wieder einen Rückgang kommen. [Quelle: Jahreswirtschaftsbericht]

Mehr Wachstum in Spanien. Im Vorjahr wuchs das BIP der viertgrößten Volkswirtschaft der Eurozone um 3,2 Prozent – getragen von einem starken Tourismusjahr und hoher Binnennachfrage. Im vierten Quartal wuchs die Wirtschaft im Vergleich zum Vorquartal um 0,8 Prozent, so wie bereits im zweiten und dritten Jahresviertel. [Quelle: Spanisches Statistikamt

Keine Zinssenkung in den USA. Die US-Notenbank Fed hat den Leitzins gestern wie erwartet nicht weiter gesenkt und im Korridor von 4,25 bis 4,50 Prozent belassen. Die Inflation war in den USA im Dezember im Jahresvergleich auf 2,9 Prozent gestiegen – nach 2,7 Prozent im November. [Quelle: Fed]

Sorge vor Zöllen trieb US-Importe an. Aus Sorge angekündigter Zölle wurden offenbar Importe in die USA vorgezogen, wodurch sich das von US-Präsident Donald Trump kritisierte Handelsdefizit der USA vor seiner Amtsübernahme erneut ausgeweitet hat. Im Dezember übertrafen die Importe von Waren die Exporte um 122,1 Mrd. Dollar (117,2 Mrd. Euro) – um 18 Prozent mehr als im Vormonat. Die Einfuhren stiegen auf 289,6 Mrd. Dollar, die Ausfuhren fielen auf 167,5 Mrd. Dollar. [Quelle: US-Handelsministerium]

Selektive Agenda:

Heute, Straßburg: Tagung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (bis 31. Jänner) 

Heute, Warschau: Informelles Meeting der EU-Justiz- und -Innenminister (bis 31. Jänner) [Info

Heute, Brüssel: Start des EU-Dialogs zur Zukunft der Autoindustrie [Info

14:00 Uhr, Wien: Bekanntgabe „Konjunkturtest“ des Wirtschaftsforschungsinstituts Wifo 

14:15 Uhr, Frankfurt: Bekanntgabe Zinsbeschluss der Europäischen Zentralbank (EZB) 

Selektives Networking:

Jobwechsel und Karriereschritte: Micha Teuscher ist neuer Vizepräsident des Boards der AQ Austria. Claudia Neumayer-Stickler von der AUVA übernimmt im ersten Halbjahr den Vorsitz des Dachverbands der Sozialversicherungsträger, im zweiten Halbjahr übt ÖGK-Obmann Peter McDonald die Funktion aus. Patrick Lobis ist zum neuen Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Wien ernannt worden – der bisherige Interims-Leiter Christian Wigand wird sein Stellvertreter.

Geburtstage: Wir gratulieren Thomas Brezina zum Geburtstag.

Sehen & gesehen werden:

18:00 Uhr, Wien: Podiumsdiskussion Europäisches Forum Alpbach „Europa am Weg zur Verteidigungsunion? Herausforderungen und Perspektiven für Europas Sicherheitspolitik“ u.a. mit EU-Abg. Brandstätter, Sicherheitsberaterin Tchakarova [Info

18:00 Uhr, Puch-Urstein, Salzburg: Festakt „Wüstenrot wird 100 Jahre“ [invite only] 

18:30 Uhr, Wien: Das Kontext Institut feiert einjährigen Geburtstag in der Labstelle u.a. mit Alexander van der Bellen. [invite only]

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