Guten Morgen Österreich!
Wir begrüßen Sie bei unserem wirtschaftspolitischen Briefing um 7 Uhr! Heute zusammengestellt und editiert von Stephan Frank, Sara Grasel und Gregor Plieschnig – wir melden uns aus Wien.
News – das müssen Sie heute wissen:
EU-Kommission empfiehlt Defizitverfahren gegen Österreich. Die EU-Kommission hat die fiskalische Lage in Spanien, Finnland, Lettland und Österreich analysiert. Die makroökonomischen Bedingungen in Österreich werden als „sehr unvorteilhaft“ eingestuft. Ein Defizitverfahren gegen Österreich wäre somit gerechtfertigt. Gegen Spanien, Finnland und Lettland wird kein Verfahren empfohlen. Die finale Entscheidung über das Defizitverfahren obliegt den Mitgliedstaaten, vermutlich wird der Rat der Wirtschafts- und Finanzminister (Ecofin) dies am 8. Juli offiziell beschließen. [Quellen: EU-Kommission auf X, Kommissionsbericht]
Startup-Investor: „Alle versuchen, ihr Portfolio zu retten“
Interview mit Niki Futter
Niki Futter gehört zu den bekanntesten Business Angels in Österreich. Futter führte 35 Jahre lang das Familienunternehmen Compass-Gruppe gemeinsam mit seinem Bruder, bevor er sich hauptberuflich seinen Startup-Investments widmete. Im Interview spricht er über das derzeit schwierige Finanzierungsumfeld, den in Österreich unterentwickelten Kapitalmarkt und welche Maßnahmen in Österreich Kapital für (junge) Unternehmen freisetzen würden.
Grafik (von Christoph Hofer): Die Bedeutung der USA als Absatzmarkt österreichischer Waren wuchs zuletzt stark. 2024 gingen bereits 8,5 % (= 16,3 Mrd. Euro) aller heimischen Warenexporte in die Vereinigten Staaten – Platz 2 hinter Deutschland mit 29,7 % (= 56,8 Mrd. Euro). US-Warenimporte machten zuletzt 7,7 Mrd. Euro aus. Während Österreich in den 90ern noch ein Handelsbilanzdefizit mit den USA verzeichnete, schreibt man nun einen deutlichen Überschuss. [Quelle: Statistik Austria]

US-Zölle: 5 % reichen aus, um den Handel stark einzuschränken. Die gestern in Kraft gesetzten 50-%-Zölle auf Stahl- und Aluminium-Importe in die USA dürften für Österreich kaum einen Effekt haben. Der Handel mit Stahl sei in diesem Zusammenhang schon bisher eher unbedeutend gewesen, sagte Ökonom Christian Helmenstein (Economica) gestern. Betroffen wäre ein Handelsvolumen von einer knappen halben Mrd. Euro Umsatzvolumen. Ob es 25 %- oder 50 %-Zölle sind, mache kaum einen Unterschied. Schon Zollsätze von mehr als 5 % würden ausreichen, um den Handel um durchschnittlich 40 % einzuschränken. Helmenstein und Michael Zettel, Präsident der US-Handelskammer in Österreich (AmCham), sprachen sich für einen deutlichen Abbau von Handelshemmnissen aus. Die USA haben vergangenes Jahr Italien als zweitwichtigsten Handelspartner Österreichs abgelöst. 8,5 % aller Exporte gingen 2024 in die USA, das Exportvolumen ist im Jahresvergleich um 10 % auf 16,3 Mrd. Euro gestiegen. Von 50-%-Zöllen auf alle Waren aus der EU wären die Bundesländer laut Bank-Austria-Ökonomen unterschiedlich betroffen – Oberösterreich und Steiermark am stärksten, Wien, Kärnten und Burgenland am wenigsten. [Quellen: AmCham, Bank Austria]
Demografischer Wandel stellt Pensionssystem vor Herausforderungen. Auf Einladung von Bundesratspräsidentin Andrea Eder-Gitschthaler diskutierten Experten die Auswirkung des demografischen Wandels auf die Nachhaltigkeit des Pensionssystems. EcoAustria-Direktorin Monika Köppl-Turyna legte dar, dass eine Erhöhung des Pensionsantrittsalters eins zu eins zu einer Erhöhung der Beschäftigung führe. Auch Ökonom Thomas Url erachtet eine Erhöhung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters als dringend notwendig. Christine Mayrhuber betonte die Wichtigkeit der Bekämpfung von Altersarmut. Die Aktion Generationengerechtigkeit reagierte erfreut über die Veranstaltung und fordert eine strukturelle Pensionsreform, um auch künftigen Generationen eine Pension garantieren zu können. Die Industriellenvereinigung warnt, dass der steigende Zuschuss aus dem Budget notwendige Zukunftsinvestitionen gefährde. Die gestiegene Lebenserwartung müsse auch im Pensionssystem abgebildet werden. [Quellen: Aufzeichnung des „Expert:innenforums“, Parlamentsdirektion I, Parlamentsdirektion II, Aktion Generationengerechtigkeit, IV]
Nur in Wien und dem Burgenland dürfte Wirtschaft 2025 wachsen. Wien war 2024 das einzige Bundesland mit einem Anstieg der realen Wirtschaftsleistung (+0,4 %) gegenüber 2023. Für 2025 prognostiziert die Bank Austria neben Wien (+0,4 %) auch für das Burgenland (+0,4 %) Wirtschaftswachstum. Schlusslicht ist Kärnten mit einem erwarteten Wirtschaftsrückgang von -1,1 %. Die Arbeitslosenquote wird in allen Bundesländern weiter ansteigen. Wien weist die höchste Arbeitslosenquote auf (11,4 %), welche heuer auf 11,9 % steigen soll. [Quelle: UniCredit Bank Austria]
Prekäre finanzielle Lage der Gemeinden. Die heimischen Gemeinden geraten laut Arbeiterkammer finanziell immer mehr unter Druck und können kaum mehr Investitionen tätigen. Neben der Teuerung, die Fixkosten erhöht, ist die Belastung durch Umlagen, die von den Gemeinden an die Länder abgegeben werden müssen, ein zentraler Faktor. Im Schnitt bleiben pro Euro, der vom Bund an die Gemeinden fließt, 41 Cent bei den Gemeinden, beim Schlusslicht Oberösterreich sind es 26 Cent. [Quelle: AK-Studie]
Inflation nagt an Haushaltsbudgets. 29 % der Österreicher haben weniger Geld zur freien Verfügung als vor einem Jahr, 26 % mehr, bei 43 % ist die finanzielle Situation gleichgeblieben. Bei Menschen über 50 ist der Anteil jener, die weniger freies Einkommen haben, mit 37 % am höchsten. 70 % der Österreicher kaufen gebrauchte Gegenstände, besonders Pkw, Motorräder und Kleidung. [Quelle: TeamBank]
Jede dritte Firma braucht bis 2030 Nachfolge. Bei 30 % der kleinen und mittleren Unternehmen in Österreich steht bis 2030 eine Nachfolgelösung an, bei 15 % bereits bis 2027. Besonders betroffen sind Betriebe im Bau- und Verarbeitenden Gewerbe. 51,7 % der Übergaben erfolgen innerhalb der Familie. Im Handel dominieren Verkaufsmodelle: 40,4 % verkaufen an externe Dritte, 19,1 % übergeben an Mitarbeiter. [Quelle: Creditreform]
Bulgarien erfüllt Kriterien für Euro-Beitritt. Die EU-Kommission sieht Bulgarien bereit, der Eurozone mit 1. Jänner 2026 als 21. Mitgliedstaat beizutreten. Nach Beratungen innerhalb der Euro-Gruppe, einer Stellungnahme des Europäischen Parlaments sowie der EZB wird der Rat der EU die endgültigen Beschlüsse über die Einführung des Euro in Bulgarien wohl im Juli fassen. EU-Kommissionspräsidentin Von der Leyen gratuliert: „Dank des Euro wird die bulgarische Wirtschaft stärker werden und Bulgarien wird seinen rechtmäßigen Platz bei der Gestaltung der Entscheidungen im Herzen des Euroraums einnehmen.“ [Quellen: EU-Kommission, Valdis Dombrovskis auf X]
Eurozone wächst schwächer. Das Wirtschaftswachstum in der Eurozone nähert sich der Stagnation an – der Einkaufsmanagerindex fällt im Mai um 0,2 Punkte auf 50,2 Punkte und bleibt damit nur mehr knapp über der Wachstumsschwelle. Die Nachfrage nach Industrieerzeugnissen und Dienstleistungen ging im Mai erneut zurück. Der Dienstleistungsindex rutscht von 50,1 Punkten auf ein 6-Monats-Tief von 49,7 Punkten. Ökonom Cyrus de la Rubia gibt sich für die Zukunft jedoch etwas zuversichtlich, dass „weitere Leitzinssenkungen durch die Europäische Zentralbank und fiskalische Impulse vor allem aus Deutschland reichen, um die negativen Effekte von höheren Zöllen und der gestiegenen Unsicherheit zu kompensieren.“ [Quelle: S&P Global]
EU-Ausstieg aus russischem Gas wackelt. Frankreich und Belgien – die größten Abnehmer von russischem LNG in der EU – wollen den Plan der EU-Kommission, bis 2027 gänzlich aus russischem Gas auszusteigen, nicht unterstützen. Frankreich unterstützt zwar eine Diversifizierung der Gaslieferanten, hat aber rechtliche Bedenken bezüglich bestehender Verträge, die bis 2032 laufen. Auch Belgiens Verträge laufen bis 2035 und verlangt daher eine detaillierte Analyse der möglichen Auswirkungen eines Total-Ausstiegs aus russischem LNG. [Quelle: Politico | Grafik: Von wem die EU ihr LNG bezieht]
Deutschland führt „Super-Abschreibungen“ ein. Die deutsche Regierung hat ein Gesetz für ein steuerliches Investitionssofortprogramm beschlossen. Das Gesetz führt „Super-Abschreibungen“ von 30 Prozent pro Jahr bis 2027 ein, ab 2028 soll dann die Körperschaftsteuer von 15 % schrittweise auf 10 % gesenkt werden. Für neu angeschaffte Elektrofahrzeuge wird ein Abschreibungssatz von 75 % eingeführt, ebenfalls befristet bis 2027. Die Obergrenze der Bemessungsgrundlage für die steuerliche Forschungszulage wird von 10 auf 12 Mio. Euro erhöht. [Quelle: Deutsches Finanzministerium]
Auftragsrückgang bei deutschen Maschinenbauern. Im April verbuchten deutsche Maschinen- und Anlagenbauer real 6 % weniger Neubestellungen als ein Jahr zuvor. Die Aufträge im Inland blieben dabei um 4 % unter dem Niveau des Vorjahresmonats. Im Ausland lag das Minus bei 7 %. Für die ersten vier Monate des Jahres bilanziert die Branche mit einem Auftragsplus von 1 %. [Quelle: VDMA]
Weitere US-Zölle angekündigt. Bis Ende Juni will US-Handelsminister Howard Lutnick Informationen zu neuen Zöllen auf Flugzeugteile bekanntgeben, wie er in einer Senatsanhörung bekanntgab. Heute trifft der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz US-Präsident Donald Trump im Weißen Haus – auch die Zölle werden dort Thema sein. Gestern trafen bereits EU-Handelskommissar Maros Šefčovič und US-Handelsbeauftragter Jamieson Greer aufeinander, das Gespräch sei „produktiv und konstruktiv“ verlaufen und man sei „in der richtigen Richtung“ unterwegs. Falls die Verhandlungen vorerst scheitern, soll die EU die „Waffe der Gegenzölle“ nicht gleich ausspielen, so IV-Präsident Georg Knill. Stattdessen würde sich Knill ein neues transatlantisches Handelsabkommen ohne jegliche Zölle auf beiden Seiten wünschen, denn Zölle brächten nur Verlierer. [Quellen: Bloomberg, Šefčovič auf X, Knill in der ZIB2]
Selektive Agenda:
Heute, Washington D.C., USA: Deutscher Kanzler Merz trifft US-Präsident Trump
9:00 Uhr, Wien: Statistik Austria veröffentlicht die Arbeitsmarktstatistik und Arbeitszeit des Mikrozensus zur Arbeitskräfteerhebung im 1. Quartal 2025 sowie die Großhandelspreise für Mai
9:00 Uhr, Wien: Budgetausschuss des Nationalrats berät einzelne Kapitel des Doppelbudgets 2025/26 (Fortsetzung)
9:00 Uhr, Frankfurt, Deutschland: Zinspolitische Sitzung des EZB-Rats, Ergebnis um 14:15 Uhr erwartet
10:00 Uhr, Luxemburg: EU-Rat Verkehr, Telekommunikation und Energie [Info]
10:00 Uhr, Wien: Konstituierende Sitzung des ORF-Publikumsrat
11:00 Uhr, Luxemburg: Bekanntgabe der EU-Erzeugerpreise für April
14:30 Uhr, Frankfurt, Deutschland: EZB gibt Stabsprojektion für Wachstum und Inflation in der Eurozone bekannt
Selektives Networking:
Jobwechsel und Karriereschritte: Heinz Fischer, Johannes Hahn, Ulrike Lunacek und Herbert Scheibner werden ehrenamtliche Sonder-Emissäre für die Bewerbung Österreichs als gewähltes Mitglied des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen. Antoinette Henriquez übernimmt mit Anfang Juni gemeinsam mit Rainer Fritthum die Geschäftsführung von Mohr Morawa. Albert Posch soll neuer Präsident des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH) werden, Bettina Maurer-Kober seine Stellvertreterin. Weiters werden Angela Julcher und Stefan Perner als neue Verfassungsrichter vorgeschlagen. Angelique Renkhoff-Mücke ist neue Präsidentin des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Johannes Greller wird ab 1. August Geschäftsführer von Penny Österreich. Barbara Novak wird neue SPÖ-Finanzstadträtin in Wien.
Geburtstage: Wir gratulieren Peter Bosek, Johannes Voggenhuber und Wilfried Seipel zum Geburtstag!
Sehen & gesehen werden:
9:00 Uhr, Seggauberg, Steiermark: Pfingstdialog Steiermark 2025 – Geist & Gegenwart: „Challenge. Europe“ u. a. mit Wolfgang Schüssel, Othmar Karas, Claudia Plakolm und Gabriel Felbermayr im Schloss Seggau [Info]
18:30 Uhr, Wien: Jahresempfang der Österreichischen Bahnindustrie anl. 20-jähriges Bestehen des Verbands der Bahnindustrie u. a. mit Andreas Matthä [invite-only]
19:00 Uhr, Wien: After Work „UrbanIn“ in der Bar Hannelore [Info]