Günther Ofner ist Vorstandsdirektor der Flughafen Wien AG und Aufsichtsratspräsident der ÖBAG © Flughafen Wien AG / Montage: Selektiv
Günther Ofner ist Vorstandsdirektor der Flughafen Wien AG und Aufsichtsratspräsident der ÖBAG © Flughafen Wien AG / Montage: Selektiv
Interview

Ofner: „Green Deal ist Brandbeschleuniger des Abschwungs“

Die Luftfahrt ist laut Flughafen-Wien-Chef Günther Ofner „eine der wenigen Branchen, die trotz des schwierigen wirtschaftlichen Umfelds wächst“. Standortschwäche und Kostensteigerungen zwingen aber auch den Flughafen zu „Kostensenkungen und Effizienzsteigerungen“. Kein gutes Haar lässt Ofner an der Regulierung im Dienste des Klimaschutzes. „Die Berichterstattung bringt dem Klima gar nichts und verursacht nur unnötige Kosten. Die Regulierungen für den Flugverkehr sind in Europa sehr wachstumsschädlich“, sagt Ofner. „Die volle Umsetzung des Green Deals würde die Ticketpreise massiv verteuern, europäische Flughäfen und europäische Airlines werden gegenüber außereuropäischen massiv benachteiligt.“

Am Flughafen Wien wurde nun nach Corona wieder das Vorkrisenniveau erreicht.

Günther Ofner: Es ist eine der wenigen Branchen, die trotz des schwierigen wirtschaftlichen Umfelds wächst. Die Passagierzahlen liegen über 2019. Wir werden heuer am Standort Wien mit etwa 32 Millionen Euro abschließen und in der Gruppe mit 42 Millionen Euro. Das ist ein Wachstum von 4 Prozent.

Dennoch haben Sie für 2026 ein Effizienzsteigerungs- und Kostensenkungsprogramm angekündigt – was kommt da auf den Flughafen zu und warum?

Einerseits werden die Flughafentarife um 4,6 Prozent abgesenkt mit dem 1. Jänner, was unsere Wettbewerbsfähigkeit unterstützt. Zusätzlich werden Wizzair und Ryanair ihr Angebot in Wien reduzieren. Auf diese geänderten Bedingungen müssen wir durch Kostensenkungen und Effizienzsteigerungen reagieren.

Welche Faktoren haben am stärksten auf die Wettbewerbsfähigkeit gedrückt?

Die allgemeinen Kostensteigerungen als Folge der Inflation. Das betrifft alle Bereiche, Sachkosten, Personalkosten und da muss jetzt wieder mehr auf die Produktivität geschaut werden.

Heuer schlagen insbesondere auch die hohen Steuerzahlungen auf den Cashflow. Die Staatsquote hat ein Rekordniveau – wie blicken Sie auf diese Entwicklung zwischen notwendiger Finanzierung des Sozialstaats und dem aufgeblähten Staatssektor?

Die Notwendigkeit, wieder Wirtschaftswachstum zu erreichen, müsste eigentlich alle politischen Entscheidungen dominieren. Ohne Wachstum werden wir weder den Sozialstaat erhalten können, noch uns die ökologische Transformation leisten können, noch mehr für Verteidigung ausgeben können. Also der Dreh- und Angelpunkt für Beschäftigung und für unseren Wohlstand ist es, wieder Wirtschaftswachstum zu erreichen.

Ohne Wachstum werden wir weder den Sozialstaat erhalten können, noch uns die ökologische Transformation leisten können.

Günther Ofner

Ein wichtiger Pfeiler, um das zu erreichen, ist der Abbau von Regulierung von staatlichen Eingriffen sowie die Förderung unternehmerischer Initiative. Es muss sich wieder lohnen, mehr zu investieren. Der Abbau von Regulierung würde nicht nur nichts kosten, sondern würde die Wirtschaft wieder motivieren, zu investieren.

Anfang Dezember kommt ein Ministerrat, der sich voll und ganz der Entbürokratisierung widmet. Haben Sie hohe Erwartungen?

Jeder Schritt in diese Richtung ist zu begrüßen. Es geht aber nicht nur um Österreich, es geht auch um Europa insgesamt. Die Initiativen auf europäischer Ebene zum Abbau von unnötiger oder auch kontraproduktiver Regulierung müssen dringend fortgesetzt werden.

Der Beschluss im Europäischen Parlament zum Lieferkettengesetz und zur ESG-Berichterstattung mit neuen Mehrheiten war ein mutiger, notwendiger erster Schritt, aber dem müssen viele weitere folgen. Es gibt sowohl den Draghi-Report wie den Letta-Bericht und beide weisen ganz dramatisch darauf hin, dass sich Europa in eine Sackgasse manövriert hat und dass mutige Entscheidungen notwendig sind, um hier wieder rauszukommen.

Wie stark spürt der Flughafen die gestiegenen Berichtspflichten und wachsende Regulierungen?

Die Berichterstattung bringt dem Klima gar nichts und verursacht nur unnötige Kosten. Die Regulierungen für den Flugverkehr sind in Europa sehr wachstumsschädlich. Die volle Umsetzung des Green Deals würde die Ticketpreise massiv verteuern, europäische Flughäfen und europäische Airlines werden gegenüber außereuropäischen massiv benachteiligt. Die Verpflichtung zur Beimengung von SAFs (Sustainable Aviation Fuels, Anm.) ist sehr teuer. Diese neuen Flugzeugtreibstoffe kosten aktuell ungefähr vier Euro im Vergleich zu einem Euro des herkömmlichen Kerosins. Außereuropäische Airlines sind davon natürlich nur insoweit betroffen, als sie innerhalb Europas fliegen.

Die volle Umsetzung des Green Deals würde die Ticketpreise massiv verteuern.

Günther Ofner

Wie schlägt sich das auf die Preise durch?

Konkret bedeutet das, dass das Ticket um 200 Euro mehr kosten würde, wenn jemand mit einem Direktflug von Wien nach Tokio fliegt, als wenn er von Wien nach Istanbul fliegt und von Istanbul nach Tokio. Und auch die Regulierung, dass als alternativer Flugzeugtreibstoff nur anerkannt ist, wo europäisches CO2 drinnen ist, führt dazu, dass kaum jemand investiert und dass die entsprechenden Betriebsstätten einfach nicht errichtet werden, was zu hohen Preisen führt und das ganze System überhaupt in Frage stellt. SAFs aus günstigen Lagen, also zum Beispiel den Wüsten Nordafrikas, wo man sie wesentlich billiger erzeugen könnte, werden derzeit nicht zugelassen. Das ist auch ein Beispiel, wie weltfremd die Regulierung ist und wie schädlich sie für das Wachstum ist.

Diese Verordnung ist seit Jahresbeginn in Kraft. Gehen Sie davon aus, dass es da noch Nachbesserungen geben wird?

Ich bin überzeugt davon, dass es Änderungen geben muss. Es ist einfach nicht vorstellbar, dass es am 31. Dezember 2029 reicht, zwei Prozent beizumischen und am 1. Jänner sollen sechs Prozent beigemischt werden. Dafür müssten Millionen Tonnen zusätzlich erzeugt werden. Das ganze System ist von Bürokraten erdacht und einfach nicht praxistauglich.

Die Regierung hat versprochen, Genehmigungsverfahren zu vereinfachen. Die Piste 3 ist die Mutter aller zähen Verfahren. Was hat im Rückblick die größten Verzögerungen verursacht?

Ja, im UVP-Recht, im allgemeinen Verwaltungsverfahren, hier gibt es gravierende Änderungsnotwendigkeiten und ich glaube, wir können es uns einfach nicht mehr leisten, wichtige Projekte Jahre und Jahrzehnte zu verzögern. Im konkreten Fall der dritten Piste ging es im Verfahren nie um irgendwelche Änderungen oder Verbesserungen, sondern immer nur um die Verhinderung. Und dem muss durch klare Regeln ein Riegel vorgeschoben werden, weil wir uns das volkswirtschaftlich einfach nicht mehr leisten können.

Wie geht es nun mit der dritten Piste weiter?

Die Evaluierung läuft derzeit und ich gehe davon aus, dass es in den nächsten Monaten weitere Entscheidungen geben wird. Mehr kann man im Moment nicht sagen. Als ein mehrheitlich privates, börsennotiertes Unternehmen müssen sich Investition, die wir tätigen, auch wirtschaftlich rechnen und vor allem von den Kunden, den Airlines, die sie ja zahlen müssen, auch mitgetragen werden.

Die EU prognostiziert Österreich auch für kommendes Jahr nur ein mageres Wachstum von 0,9 %. Die Vorhersage war schon einmal rosiger – gelingt es der Regierung aus Ihrer Sicht, die Wirtschaft anzukurbeln?

Wir brauchen dringend einen Pakt für Wachstum, der zwar auch die Regierung umfasst, aber insbesondere von den Sozialpartnern getragen werden müsste. Wir müssen die Lohnpreisspirale abbremsen und letztlich beseitigen, weil das der Hauptgrund für die Wachstumsschwäche ist. Wir haben uns aus den Märkten hinausgepreist und an Wettbewerbsfähigkeit verloren. Zu den weiteren wesentlichen Maßnahmen zählt eine Absenkung der Strompreise, vor allem für die Industrie, auch als Folge der Entscheidung in Deutschland, wo jetzt der Strompreis für die Industrie auf fünf Cent pro Kilowattstunde abgesenkt wird.

Und wir brauchen die Umsetzung aller Maßnahmen, die Wirtschaftsminister Hattmannsdorfer zuletzt angesprochen hat: Europa first bei Vergaben, eine Neubewertung des Green Deals, der derzeit ein Brandbeschleuniger des Abschwungs ist und der in der beschlossenen Form meiner festen Überzeugung nach nicht umsetzbar ist, wenn man nicht die Industrie und einen großen Teil der Wirtschaft verlieren möchte. Man sieht auch, dass niemand im Rest der Welt Europa auf dem Weg, der hier eingeschlagen wurde, folgt.

In China allein werden innerhalb von zwei Jahren 130 neue Kohlekraftwerke in Betrieb genommen. Mit dem Strom, der ein Drittel von unserem kostet, wird dann unseren Produkten Konkurrenz gemacht und wir importieren dann den Kohlestrom über die Importe aus China und zerstören dabei unsere eigene Wirtschaft. Es ist ein grundlegender Kurswechsel notwendig, hin zu mehr wirtschaftlichem Realismus. Die Klimapolitik muss harmonisiert werden mit den wirtschaftlichen Notwendigkeiten, sonst wird sie nicht erfolgreich sein.

Es ist ein grundlegender Kurswechsel notwendig, hin zu mehr wirtschaftlichem Realismus.

Günther Ofner

Österreich hat ein ambitionierteres Klimaziel als beispielsweise die EU. Kann diese Rechnung überhaupt aufgehen?

Das 2040-Ziel ist völlig sinnlos. Würde Österreich tatsächlich 2040 CO2-neutral werden, dann bedeutet das nur, dass andere europäische Länder bis 2050 das in Österreich eingesparte CO2 billiger emittieren können. Es würde an den Gesamtemissionen in Europa nichts ändern. Aber es ist auch nicht leistbar. Wenn man den Forschungsergebnissen Glauben schenken will, dann wären zur Erreichung dieses Zieles bis 2040 110 Milliarden Euro zusätzliche öffentliche Investitionen notwendig und 875 Milliarden Euro private Investitionen. Das würde konkret bedeuten, wir müssten die Investitionsquote Österreichs ab jetzt verdoppeln.

Zuletzt wurde viel über die Wirtschaftskammer diskutiert. Was sind denn Ihre Wünsche an Ihre Interessenvertreter?

Die Wirtschaft braucht eine starke Interessenvertretung. Ich hoffe, dass man mutige Reformschritte macht, effizienter wird und damit wieder an Akzeptanz und Glaubwürdigkeit gewinnt.

Worin sehen Sie die Stärken der Wirtschaftskammer?

Sie hat große Stärken: Die Beratungsqualität für die Mitglieder, die Außenhandelsorganisation, um die uns viele beneiden und eine hohe Sachkompetenz der Experten und eine mutige Reform kann durchaus dazu beitragen, dass man wieder an Akzeptanz gewinnt.

Die ÖBAG ist vom Finanz- ins Wirtschaftsministerium gewandert und soll nun strategisch neu aufgestellt werden. Dafür sollte es einen Strategieprozess geben – wie läuft der bereits?

Die Zugangsweise von Wolfgang Hattmannsdorfer für ein aktives Beteiligungsmanagement sind sehr zu unterstützen. Es ist die Aufgabe der ÖBAG, aus dem Beteiligungsportfolio den größten volkswirtschaftlichen Nutzen für den Steuerzahler zu erwirtschaften. Da gibt es viele Potenziale, die man schöpfen kann. Genau das ist Gegenstand des Strategieprozesses, der derzeit läuft. Ich bin optimistisch, dass es auch gelingt, hier neue Akzente zu setzen.

Wie könnte das aussehen, wenn das Beteiligungsmanagement aktiver gestaltet wird?

Es geht um die Hebung von Synergien und vor allem auch darum, die Chancen, die sich durch unsere internationalen Syndikatspartner eröffnen, für die österreichische Wirtschaft zu nutzen. Zuletzt ist das sehr deutlich geworden in Bezug auf Abu Dhabi und die Partnerschaft mit der Adnoc bei der Wasserstoff-Elektrolyse in Bruck. Im Gefolge dieser Gespräche sollen natürlich auch andere österreichische Unternehmen als Lieferanten und Partner für die Emirate in Stellung gebracht werden. Solche Bemühungen soll es auch mit anderen Syndikatspartnern der ÖBAG geben. Und natürlich geht es auch um ein potenzielles Neugeschäft mit möglichen Investments in Zukunftsbranchen.

Startups und Scaleups passen auch in diese Strategie?

Startups wahrscheinlich weniger, aber Firmen mit fertigen Produkten und großen Marktchancen.