Finanzminister Markus Marterbauer hat gestern das Doppelbudget 2025/26 präsentiert – wird an den richtigen Stellen gespart, werden dringend benötigte Impulse gesetzt und wie geht es weiter? Wifo-Ökonomin Margit Schratzenstaller ordnet das Budget für Selektiv ein. „Es gibt einen Plan, um die Verschuldung zu stabilisieren und mittelfristig zu senken. Ich erwarte mir, dass dadurch die Zuversicht bei Unternehmen und Haushalten wieder steigt“, so Schratzenstaller.
Der Finanzminister betont, dass versucht wurde, die bremsenden Effekte auf Wirtschaft, Konsum und Arbeitsmarkt möglichst gering zu halten. Ist das aus Ihrer Sicht gelungen?
Margit Schratzenstaller: Es ist ein einigermaßen konjunkturverträgliches Paket. Natürlich kann man so eine Konsolidierung für die Wirtschaft und die Konjunktur nicht spurlos gestalten. Die Offensivmaßnahmen federn das ein wenig ab.
Die Abgabenquote steigt auf 45,5 % und das, obwohl sie derzeit schon vergleichsweise hoch ist. Was bedeutet das für Österreich?
Ja, da sind wir schon am oberen Ende. Ein Drittel der Konsolidierungsmaßnahmen ist einnahmenseitig, zwei Drittel ausgabenseitig und ich glaube, dass das kurzfristig auch nicht anders geht. Brutto ist das Volumen der Konsolidierung ja noch höher als die 6,4 Milliarden Euro und die 8,7 Milliarden Euro, weil man auch die Offensivmaßnahmen finanzieren muss. Das kurzfristig alleine ausgabenseitig aufzustellen, wäre sehr schwierig gewesen und auch nicht gut für die Konjunktur. Eine Abgabenquote in dieser Höhe ist per se aber auch kein Drama. Es gibt Länder wie die skandinavischen Länder, die hohe Abgabenquoten haben und wirtschaftlich gut dastehen und Länder wie Frankreich und Belgien, die hohe Abgabenquoten haben und nicht so gut dastehen. Die Ausgabenstruktur muss zusätzlich stimmen und es darf keine Ineffizienzen geben. Wir haben bei allen drei Faktoren Defizite.
Stichwort Doppelbudget 2025/26
EU-Defizitverfahren voraussichtlich bis 2028. Das Budgetdefizit soll heuer durch das Sparpaket von 4,7 auf 4,5 % des BIP sinken. Damit gilt die Eröffnung eines EU-Defizitverfahrens als sicher. Finanzminister Markus Marterbauer strebt einen 7-jährigen Konsolidierungspfad an. 2026 soll das Defizit auf 4,2 % des BIP sinken und dann schrittweise bis 2029 auf 2,8 %. 2028 soll Österreich laut Plan wieder aus dem Defizitverfahren herauskommen. Gespart werden heuer insgesamt 7 Mrd. Euro und 2026 10,3 Mrd. Euro – davon dienen 6,4 Mrd. Euro bzw. 8,7 Mrd. Euro der Konsolidierung und der Rest Offensivmaßnahmen wie die Erhöhung der Basispauschalierung und des Pendlereuros, die Mitarbeiterprämie, „Arbeiten im Alter“, die Erhöhung des AMS-Budgets oder das 2. verpflichtende Kindergartenjahr.
Ein Drittel der Einsparungen wird einnahmenseitig erfolgen, zwei Drittel ausgabenseitig. Neue Steuern und Erhöhungen bringen heuer rund 1 Mrd. Euro und 2026 rund 2,2 Mrd. Euro. Am meisten tragen Energiewirtschaft und Banken bei. Die Steuer- und Abgabenquote wird von derzeit 44,5 % auf 45,5 % 2026 steigen. Staatsnahe Betriebe tragen durch höhere Dividenden und eine Senkung der ÖBB-Investitionen bei. Bei den Förderungen werden rund 1,3 Mrd. Euro gespart – v.a. bei Umweltförderungen, Breitbandförderung, Investitionsprämie und Klimaticket, das teurer wird. Die Förder-Taskforce soll 2026 zusätzlich 150 Mio. Euro bringen. Die Abschaffung der Bildungskarenz bringt 2026 650 Mio. Euro, Anpassungen im Pensionssystem 633 Mio. Euro und ab 2029 1,9 Mrd. Euro jährlich. Länder und Gemeinden tragen 2026 0,2 Mrd. Euro zur Sanierung bei und 2026 0,5 Mrd. Euro. [Quellen: BMF, Aussendung Marterbauer | Reaktionen: IV, Wirtschaftsbund, AK, ÖGB, EEÖ]
Die Sanierung kann nur gelingen, wenn die gesamtwirtschaftliche Nachfrage anzieht – das sagt auch der Finanzminister. Die Offensivmaßnahmen für Unternehmen sind aber ein eher kleiner Schritt. Wird hier alles getan, was in dieser Situation möglich ist, bzw. das richtige?
Es ist grundsätzlich gut, dass es Offensivmaßnahmen gibt. Wenn man sich die Budgetlage anschaut, ist einfach nicht mehr drin. Unmittelbar für Unternehmen gibt es relativ wenige Maßnahmen – die Pauschalierung bei der Umsatzsteuer, die NoVA-Befreiung bei den leichten Nutzfahrzeugen, ein Standortpaket, das noch ausdefiniert werden muss, und die steuerfreie Mitarbeiterprämie. Unternehmen kommen aber auch die arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen zugute – die Fachkräfte- und Qualifizierungsoffensive. Und natürlich bräuchte es eigentlich mehr, aber das gilt auch für andere Bereiche wie Klima oder Bildung. Vor allem braucht es noch mehr Strukturreformen. Ein paar sind bereits im Visier mit diesem Budget, aber das kann nicht der letzte Schritt sein. Wir müssen mehr tun, um uns diese Spielräume zu erarbeiten. Immerhin haben wir jetzt einmal dieses Budget, das nach außen hin ohne größere Krise beschlossen wurde. Es gibt einen Plan, um die Verschuldung zu stabilisieren und mittelfristig zu senken. Ich erwarte mir, dass dadurch die Zuversicht bei Unternehmen und Haushalten wieder steigt.
Definitiv mehr gibt es bei den Pensionen – die Ausgaben steigen heuer und nächstes Jahr wieder kräftig. Hätte man hier mehr machen können?
Das kommt darauf an, mit welcher Fristigkeit man das sieht. Die Reform der Korridorpension wird auch kurzfristig wirken. Darüber hinaus geht aber mehr – perspektivisch wird man über das gesetzliche Pensionsantrittsalter sprechen müssen.
Maßnahmen wie die Bankenabgabe, der Energiekrisenbeitrag-Strom oder die ÖBAG-Dividenden haben ein Ablaufdatum. Was bedeutet das für die Zeit danach?
Ein großer Teil der anderen Maßnahmen wirkt dafür langfristig. Die kurzfristigen Maßnahmen – auch die Verlängerung des Spitzensteuersatzes läuft ja ab – sorgen dafür, dass man sich in den nächsten Jahren etwas Luft verschafft. Ich denke aber schon, dass man da noch nachlegen muss. Viele ausgabenseitige Maßnahmen entfalten ihre Wirkung aber erst über die Zeit – etwa im Bereich der Förderungen.
„Viele ausgabenseitige Maßnahmen entfalten ihre Wirkung erst über die Zeit – etwa im Bereich der Förderungen.“
Margit Schratzenstaller
Wo könnte man denn noch nachlegen?
Langfristig mit strukturellen Reformen, damit die Sozialsysteme effizienter werden – im Gesundheitsbereich oder bei den Pensionen. Ein Bereich, den man zukunftsfitter aufstellen muss, ist die Familienförderung. Das halte ich auch für vertretbar, angesichts dessen, dass die monetären Familienleistungen in Österreich relativ großzügig sind. Das Aussetzen der Valorisierung ist ein Anfang, ich würde mir aber eine größere Reform bei der Familienförderung wünschen. Würde man den Familienbonus einschränken, könnte man Mittel frei machen für einen qualitativen und quantitativen Ausbau der Kinderbetreuung. Das würde auch helfen, mehr Frauen in die Beschäftigung zu bringen und die brauchen wir angesichts des demografischen Wandels im Arbeitsmarkt.
„Ich würde mir eine größere Reform bei der Familienförderung wünschen.“
Margit Schratzenstaller
Markus Marterbauer hat in seiner Budgetrede keinen Zweifel daran gelassen, dass wir noch mehr und noch lange sparen müssen. Gibt es einen Zeithorizont, ab dem wieder stärkere Offensivmaßnahmen denkbar sind?
Das hat die Regierung zum Teil selbst in der Hand. Je schneller es gelingt, sich im Zusammenspiel mit Ländern und Gemeinden Föderalismusreformen, Effizienzreformen im Gesundheitssystem, im Fördersystem, bei Abgabenstrukturen usw. vorzunehmen, desto eher hat man auch wieder Handlungsspielraum.
In den vergangenen Wochen und Tagen wurde eine Debatte um eine mögliche Aufschnürung des zweijährigen Beamtenabschlusses geführt – Beamte erhalten heuer wieder eine Lohnerhöhung über der Inflation. Hätte eine Neuverhandlung einen großen Effekt?
Ich glaube, dass es sehr schwierig ist, das aufzuschnüren und es ist im Doppelbudget auch nicht berücksichtigt. Man könnte bei den Beamtenabschlüssen aber sehr wohl einsparen und nach 2026 ist die Budgetsanierung ja nicht zu Ende. Bei den Beamten wurde die Inflation wirklich vollständig abgegolten – das ist nicht in allen Bevölkerungsgruppen der Fall. Beim nächsten Beamtenabschluss wird man mit mehr Augenmaß vorgehen müssen.
Zur Person
Margit Schratzenstaller ist Senior Economist am Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo, dem sie in der Vergangenheit auch als stellvertretende Leiterin vorstand. Sie ist u.a. Mitglied im Österreichischen Fiskalrat, Vorstandsmitglied der ÖGfE, Mitglied des Advisory Boards Wissenschaft des Wiener Klimarates und des Kuratoriums des KDZ. Ihre Arbeitsschwerpunkte umfassen europäische Steuer- und Budgetpolitik, EU-Budget, Ökologisierung der öffentlichen Finanzen, Vermögensbesteuerung, Familienpolitik und Gender Budgeting. Sie war Vizekoordinatorin des EU-Projekts „WWWforEurope“ und Partnerin im H2020-EU-Projekt FairTax. Schratzenstaller hat zahlreiche Studien für das Europäische Parlament, die Europäische Kommission und nationale Auftraggeber erstellt.