Interview von Maximilian Kern und Stephan Frank
Energie-Staatssekretärin Elisabeth Zehetner (ÖVP) verteidigt im Selektiv-Interview das „Günstiger-Strom-Gesetz“ gegen Kritik der Erneuerbaren-Branche und versichert, dass die Wirtschaftlichkeit von erneuerbarer Stromerzeugung nicht gefährdet ist. Klärende Krisengespräche mit der Branche brauche es derzeit keine, da keine Krise herrsche. Auch macht sich Zehetner „keine Sorgen“, dass die für den Beschluss des Gesetzes nötige Zweidrittelmehrheit eventuell nicht zustande kommen könnte.
Warum und wann hat sich die Koalition dazu entschieden, das Elektrizitätswirtschaftsgesetz (ElWG) auf „Günstiger-Strom-Gesetz“ umzutaufen?
Elisabeth Zehetner: Wir haben das in der Koalition entschieden, da erstens der sperrige Name Elektrizitätswirtschaftsgesetz am Rande der Aussprechbarkeit war und zweitens sich Otto-Normalverbraucher unter dem Begriff „Elektrizitätswirtschaft“ überhaupt nichts vorstellen kann. Wir verfolgen mit diesem Gesetz das Ziel, leistbare Energie auch sichtbar zu machen und so ist am Ende des Tages das „Günstiger-Strom-Gesetz“ entstanden.
Ein großer Kritikpunkt am Elektrizitätswirtschaftsgesetz waren die geplanten Netznutzungs- und Einspeiseentgelte, vor allem für private PV-Anlagen. Die sind im Günstiger-Strom-Gesetz nun überarbeitet worden. Sie betreffen aber weiterhin alle Einspeiser?
Es gibt verschiedene Komponenten im Netznutzungsentgelt und das umstrittenste davon war das Einspeiseentgelt. Dieses wird von der E-Control im Rahmen der europäischen Richtlinien festgelegt werden und gilt für alle. Es gibt allerdings für alle auch diesen Freibetrag von 7 Kilowatt.
Kolportiert wird hier ein Betrag von 0,05 Cent pro Kilowattstunde, können Sie diesen bestätigen?
Die europäischen Vorgaben sehen vor, dass das Verteilernetz nicht gegenüber dem Übertragungsnetz benachteiligt werden kann. Im Rahmen einer Richtlinie gibt es den Hinweis, dass das Entgelt dann bei 0,50 Euro pro Megawattstunde, also 0,05 Cent pro Kilowattstunde (kWh), zu liegen kommen wird. Irgendwo in diesem Bereich wird es sich einpendeln. Final festlegen muss das die Regulierungsbehörde E-Control, die sich aber bereits geäußert hat und die Wirtschaftlichkeit einer PV-Anlage auch in Zukunft bestätigt hat.
Können Sie abschätzen, welcher Betrag am Ende des Jahres über dieses Einspeiseentgelt zusammenkommen wird?
Das kann man seriöserweise nicht sagen, da die Höhe des Entgelts eben noch nicht feststeht. Es wird aber jedenfalls nicht so hoch sein, dass dadurch die Wirtschaftlichkeit in der Energiebranche gefährdet ist. Es wird auch keine Auswirkungen auf die Preise haben, das ist explizit im Gesetz festgehalten. Es wird ein Betrag sein, der Bewusstsein dafür schaffen soll, dass das Stromnetz eben nicht nur in eine Richtung, sondern in zwei Richtungen benutzt wird und für diese Infrastruktur auch ein Entgelt fällig ist.
Werden auch Erneuerbare Energiegemeinschaften (EEG), die netzdienliches Verhalten schon jetzt belohnen, von den Einspeiseentgelten betroffen sein?
Ja, auch für Erneuerbare Energiegemeinschaften wird das Entgelt zu entrichten sein. Aber die EEGs profitieren ohnehin von Vergünstigungen bei den Netzgebühren aufgrund des nahen Netzbereiches, diese bleiben erhalten. Weiters soll das Billigstrom-Gesetz nun auch größeren Unternehmen die Teilnahme an erneuerbaren Energiegemeinschaften ermöglichen. Das hat den Vorteil, dass die Energiegemeinschaft insgesamt stärker wird und Betriebe oft zu anderen Zeiten Strom benötigen als Privatpersonen. Die fast 5.000 EEGs in Österreich haben eher das Problem, dass sie zu viel Überschussstrom haben und noch Abnehmer suchen. Auch werden bürokratische Auflagen für die Gründung einer EEG deutlich erleichtert.
Wir schaffen Rahmenbedingungen für Dinge, die in drei, vier oder fünf Jahren selbstverständlich sein werden.
Elisabeth Zehetner
Die Strommarktreform soll auch das bidirektionale Laden von Autos ermöglichen, welches Potenzial sehen Sie für E-Autos als mobile und dezentrale Stromspeicher?
Hier steckt ein riesiges und bisher ungenutztes Batterie-Potenzial, da E-Autos in den meisten Fällen weit größere Stromspeicher darstellen als jene, die man sich in den Keller stellt. Das wird unsere Netzstabilität verbessern und auch Kosten senken. Oft wird sich über mangelnde Speichermöglichkeiten beschwert – würde man die Autos dazurechnen, wandelt sich das Bild. Wir schaffen hiermit wirklich ein Gesetz für die Strom-Zukunft. Wir schaffen Rahmenbedingungen für Dinge, die in drei, vier oder fünf Jahren selbstverständlich sein werden.
Geharnischte Kritik zum Gesetzespaket kommt von Erneuerbaren-Vertretern, die Formulierungen erinnern an die Lebensmitteldebatte: Es handle sich beim Stromgesetz um eine „Mogelpackung“ mit „Österreich-Aufschlag“ – haben Sie die Kritik in dieser Deutlichkeit erwartet?
Diese Kritik üben die Erneuerbaren-Vertreter schon, seitdem wir den ersten Entwurf präsentiert haben. Ich bin zu 100 Prozent davon überzeugt, dass wir mit diesem Gesetz die richtigen Weichen stellen und dadurch mehr Erneuerbare eine Chance haben. Dass der Erneuerbaren-Branche möglicherweise ein paar Cent pro MWh vom Gewinn fehlen werden, müssen sie akzeptieren. Es ist nicht so, dass dieser Betrag in irgendeiner Weise ihre Wirtschaftlichkeit gefährdet. Im Gesetz ist explizit festgehalten, dass der business case nicht gefährdet werden darf. Ich finde es eigentlich schade, dass es den Erneuerbaren-Vertretern um diesen Mini-Betrag geht und sie sich nicht darauf fokussieren, was sie durch das Gesetz eigentlich alles bekommen.
Einen bereits bestehenden „Österreich-Aufschlag“ ortet Stephan Sharma von der Burgenland Energie aufgrund der Trennung der deutschen und österreichischen Strompreiszone. Dadurch wäre Strom in Österreich um etwa 2 Cent pro kWh teurer. Sollten die Strompreiszonen wieder vereinigt werden?
Die Diskussion über die Strompreiszone ist sicher ein valides Thema. Viel wichtiger ist aber, dass wir gute Netze haben. Die Kritik aus dem Burgenland ist deshalb interessant, da das Burgenland das einzige Land ist, das eigene Landes- und Gemeindesteuern pro Megawatt-PV und Megawatt-Windkraft einhebt.
Ich kann diese Panikmache der Erneuerbaren nicht nachvollziehen.
Elisabeth Zehetner
Die IG Windkraft will aufgrund des Gesetzes sogar ein „dringendes Krisengespräch“ mit dem Energieminister führen. Wird es hier Gespräche geben?
Ich habe mit der IG Windkraft und den Erneuerbaren persönlich sehr viele Gespräche während des Prozesses geführt. Es gibt keine Krise, daher brauche ich auch kein Krisengespräch, aber natürlich ist eine grundsätzliche Dialogbereitschaft immer da. Wir nehmen zur Kenntnis, dass die Branche mit dem Einspeiseentgelt nicht einverstanden ist. Aber unsere Aufgabe als Politik ist es, das System in die Zukunft zu führen und auch gerecht aufzustellen. Diejenigen, die mit Strom durchs Einspeisen Geld verdienen, müssen für die Infrastruktur auch einen Beitrag leisten – einen minimalen Beitrag.
Die Kritik des Dachverband Erneuerbare Energie Österreich (EEÖ) geht so weit, dass von „Irreführung“ gesprochen wird und Strom durch das Gesetz teurer werden würde, nicht günstiger.
Der Strom wird nicht teurer. Dieses minimale Einspeiseentgelte wird keinen Effekt auf die Merit Order haben und damit keinen neuen Stromgroßhandelspreis definieren. Ich kann diese Panikmache der Erneuerbaren nicht nachvollziehen. Nicht nur der Strompreis wird durch das Gesetz günstiger, sondern wir senken auch die Netzkosten. Dazu werden wir neben den Regulierungskonten das Sonderkonto nutzen und den Betrag von 450 Mio. Euro auf mehrere Jahre investieren, um die Netzkosten pro Jahr um 3 Prozent zu dämpfen. Davon profitiert jeder Verbraucher.
Jeder Versicherungsvertrag wird mehr steigen als die Netzkosten.
Elisabeth Zehetner
Im Burgenland sollen die Strom-Netzentgelte nächstes Jahr um 16 Prozent steigen, in Tirol um 11 Prozent, in Niederösterreich um 7 Prozent. Was, wenn also für einige Teile der Bevölkerung die Stromrechnungen aufgrund höherer Netzentgelte nächstes Jahr höher ausfallen?
Und in Salzburg etwa sinken die Netzentgelte sogar um 9 Prozent – es hängt also von den Gegebenheiten des einzelnen Bundeslandes ab. Manche haben schon früher stärker ausgebaut als andere und sind jetzt günstiger. Man kann also immer nur vom Durchschnitt ausgehen. Dieser liegt bei 1,1 Prozent und damit deutlich unter der Inflation und auch unter der angestrebten Inflation von 2,0 Prozent. Jeder Versicherungsvertrag wird mehr steigen als die Netzkosten. Hätten wir nicht die innovative Idee mit den Regulierungskonten gefunden, würden die Netzkosten im Durchschnitt um 5 Prozent steigen, das wäre dann wirklich teuer.

Für das „Günstiger-Strom-Gesetz“ werden Sie jedenfalls die Unterstützung einer Oppositionspartei brauchen, um eine Zweidrittelmehrheit im Nationalrat zu haben. Aussagen wie „Wer dem Billigstromgesetz nicht zustimmt, spricht sich ganz klar gegen günstigere Strompreise aus“ von Herrn Energieminister Hattmannsdorfer lassen aber keine große Kompromissbereitschaft vermuten. Was sind Punkte, die Sie der ein oder anderen Partei für Verhandlungen anbieten können?
Wir glauben, dass das ein super Gesetz ist. Wir haben uns in der Dreierkoalition wirklich den Kopf zerbrochen, wie wir alle Hebel für günstigeren Storm erreichen können aber dabei auch ein Maximum an erneuerbarer Energie schnell ans Netz bringen. Aus meiner Sicht müssten beide Parteien – sowohl Grün als auch Blau – sagen, wir sind hier dabei, wir wollen mitarbeiten.
Wir werden heute den Energiesprechern von allen Parteien offiziell dieses Gesetz im Parlament übergeben und dort werden dann die Gespräche starten. Es wird sich dann herauskristallisieren, wo die Schnittmengen größer sind und dann hoffen wir, demnächst eine Zweidritteleinigung verkünden zu können.
Haben Sie Sorge, dass Sie diese Zweidrittelmehrheit vielleicht nicht finden werden?
Nein, diese Sorge habe ich eigentlich nicht.
Auch wenn es noch nicht Teil des Günstiger-Strom-Gesetzespakets ist, wurde schon eine Vorschau auf den Energiekrisenmechanismus gegeben, der Strompreise im Krisenfall auf 10 Cent pro kWh deckeln soll. Wird hier der Preis gedeckelt werden oder die Differenz zum tatsächlichen Preis ersetzt?
Wir wollen in Zukunft für eine ähnliche Situation wie 2022, dass die Preise in die Höhe schießen, gewappnet sein. Bei der Strompreisbremse haben manche Dinge gut funktioniert und mache können wir beim zukünftigen Mechanismus besser machen. Derzeit erarbeitet eine Expertengruppe, ab welchem Punkt eingegriffen werden muss und auch wie. Entweder man schießt zu oder man regelt Preise, das ist noch offen. Wir wollen aber wieder zurück zu dem Preis von 10c/kWh zurück, den es damals bei der Strompreisbremse gegeben hat. In der Koalition ist vereinbart, dass dieser Mechanismus jetzt parallel final verhandelt wird. Wir müssen ein Modell finden, das die Sicherheit für kleine Verbraucher gewährleistet, aber gleichzeitig auch den Wettbewerb am Markt ermöglicht und nicht zu Marktverwerfungen führt.
Wird dieser Energiekrisenmechanismus auch für Unternehmen oder nur für Privatpersonen greifen?
Das ist in der Ausgestaltung noch offen, jedenfalls aber für Privatpersonen und kleine Betriebe. Wir müssen hierbei insbesondere bei Industrie und größeren Unternehmen EU-rechtliche Rahmenbedingungen berücksichtigen.
Auch beim Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetz (EABG) ist die Begutachtungsperiode abgeschlossen, wann wird die Regierungsvorlage hierzu folgen?
Wir haben jetzt ca. 300 Seiten an Begutachtung durchzuarbeiten und wollen zeitnah eine Regierungsvorlage auf den Weg bringen können.

Erwarten Sie, dass es im Rahmen des EABG ein Umdenken vor allem in den westlichen Bundesländern geben wird, sich nicht weiter der Windkraft zu verwehren?
Ich glaube, dass Windkraft essenziell in unserem Energiemix ist und wir sie in Österreich brauchen werden, auch im Westen.
Die Initiative Energien Speichern (INES) warnt in Deutschland vor Gas-Engpässen, da die Speicherstände zu niedrig sind. Auch hierzulande sind die Speicherstände um 10 Prozentpunkte unter dem Vorjahresniveau, müssen wir uns bei einem Extremwinter Sorgen um die Versorgung machen?
Nein. Derzeit sind rund 93 % eines durchschnittlichen Jahresverbrauchs in den Speichern, daher mache ich mir hierzu gar keine Sorgen.
Hatte die Krise in der WKÖ in den letzten Wochen auch Einfluss auf die Arbeit in Ihrer Partei und innerhalb der Koalition?
Es ist bedauerlich, dass die Dinge so gekommen sind, wie sie gekommen sind. Martha Schultz wird als gestandene Unternehmerin das Heft in die Hand nehmen und für die nötige Ruhe und Stabilität und vor allem Reformen, die notwendig sind, sorgen. Ich sehe unsere Arbeit davon gar nicht beeinflusst.
Auch Sie wurden als mögliche Nachfolgerin gehandelt.
Die Funktionäre in der Wirtschaftskammer brauchen eine unternehmerische Laufbahn. Außerdem habe ich meine Energie darauf zu verwenden, dass wir die erneuerbare Energiezukunft gestalten.