China 2030: Wie der Zukunftsoptimismus „optimiert“ werden soll

28. Oktober 2025Lesezeit: 3 Min.
Bernhard Seyringer Illustration
Kommentar von Bernhard Seyringer

Bernhard Seyringer ist Politikanalyst und Technologie-Berater bei AFUSS Consulting. Seine thematischen Schwerpunkte fokussieren „Strategic Foresight“ und „Neue Technologien und Internationale Politik“. Seyringer ist zudem Experte für digitale Geopolitik.

Vergangene Woche haben sich die 376 Mitglieder des 20. Zentralkomitees zum Vierten Plenum im Jingxi-Hotel in Pekings Hightech-Stadtteil Haidian versammelt. Dort werden unter anderem die „Richtlinien“ für den 15. Fünfjahresplan (FJP) vorbereitet, die im März 2026 vom Nationalen Volkskongress beschlossen werden sollen. Übrigens: Bei den bereits erkennbaren Technologieschwerpunkten des 15. FJP sind wieder europäische Unternehmen federführend dabei. War da nicht was? Europäische Technologiesouveränität? Ich frag‘ nur für einen Freund…

Xi Jinping liebt Pläne und Planungsprozesse. Eine wahre Flut an Plänen hat sich in den letzten Jahren über die chinesische Wirtschaft ergossen. Insbesondere der sowjetisch-folkloristische Fünfjahresplan ist für die Führung von enormer Bedeutung. Ist er doch der Einzige, dessen Inhalte in westlichen Medien diskutiert werden. Es ist bereits der dritte Fünfjahresplan unter Xis Führung.

Auch wenn das Entwicklungsprozedere mehr als fünfzig regierungsnahe Think Tanks miteinschließt und die Nationale Entwicklungs- und Reformkommission (NDRC) formal für die Entwicklung zuständig ist, hat Xi den seit Dezember 2023 laufenden Entwicklungsprozess fest im Griff. Als Vorsitzender der Wirtschafts- und Finanzkommission der Partei bestimmt er, wer dem Vorbereitungskomitee angehört. Es sind nur seine allerengsten Vertrauten dabei.

Eine Person fehlt besonders auffällig: Vize-Premier Ding Xuexiang. Er wurde im Frühjahr 2023 als Vorsitzender der neu-geschaffenen Wissenschafts- und Technologiekommission der Partei bestellt. Damit wurden ihm Richtlinien- und Kontrollkompetenzen über die zuständigen Ministerien und die NDRC verliehen. Ein erhebliches Machtportfolio. Deswegen ist es besonders rätselhaft, warum er auch bei der letzten Vorbereitungskonferenz am 30. April in Shanghai nicht dabei war. Als vermisst gilt auch Jun Zhuanglong, Minister für Industrie- und Informationstechnologie. Er wurde am 27. Dezember 2024 zum letzten Mal in der Öffentlichkeit gesehen.

Xi Jinping liebt Pläne und Planungsprozesse.

Bernhard Seyringer

Die großen politischen Ziele des Landes sind die „Technologiesouveränität“ sowie die Sicherheit und Resilienz der Supply Chains. Das ist nicht neu, wurde aber mit einer Serie von acht Artikeln in der „Chinesischen Volkszeitung“ (Renmin Ribao) von der Wirtschafts- und Finanzkommission der KP erneut überdeutlich unterstrichen. Die Kommission publiziert unter einem Pseudonym, das Insidern bekannt ist. In den Artikeln wurde auch die Bedeutung von Zukunftsoptimismus und dem Glauben an das Land für die wirtschaftliche Entwicklung deutlich gemacht. Das Theorieorgan der Partei „Qiushi“ hat am Wochenende unverhohlen eine diesbezügliche „Optimierung“ der öffentlichen Meinung gefordert.

Der zentrale Leitbegriff des 15. FJP wird sich mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit um die „New Quality Productive Forces“ drehen. Das sind einige neue Industriesektoren, von denen man erhofft, damit einen deutlichen Produktivitätsschub zu erreichen und bis 2030 globale Dominanz anstrebt – im 14. FJP waren es sieben Industriesektoren. Darüber hinaus sind die „300 Plus“-Reformvorschläge des Dritten Plenums vom Juli 2024 wichtige Themenvorgaben für das Streben nach der „modernen sozialistischen Gesellschaft“, die man bis 2035 erreicht haben will.

Aber langsam: Bis Dezember gilt es jetzt einmal mit einiger statistischer Kreativität dafür zu sorgen, dass alle Ziele des 14. Fünfjahresplans erreicht werden.