Die ÖVP sitzt in der Falle
Rainer Nowak ist CEO der Tageszeitung „Die Presse“. Zuvor war er Journalist und Ressortleiter für Wirtschaft und Politik bei der „Kronen Zeitung“ und davor Chefredakteur, Herausgeber und Geschäftsführer der Tageszeitung „Die Presse“.
Die kleine Verschwörung des roten SPÖ-Regierungsteams ist perfekt. Die Falle wurde aufgestellt, nur die Schwarzen wissen noch nicht, wann und wie sie hineintappen werden. So oder so ähnlich lautet dieser Tage die Theorie, die in Wirtschafts- und Bürgerkreisen kolportiert wird.
Finanzminister Markus Marterbauer, das trockene Himmelpfort-Gassen-Umfragependant der SPÖ zum einst jungen KHG, plane, dass sein ohnehin nicht übertrieben revolutionäres Doppelbudget angesichts der schlechten Wirtschaftslage nicht halten wird. Dadurch müssten neue, viel härtere Sparmaßnahmen mit negativeren Auswirkungen als zuletzt auf die Bevölkerung beschlossen werden. Das würde in der Dreier-Koalition natürlich sehr schwierig werden. Womit der ideale Zeitpunkt gekommen sei, über neue Staatseinnahmen zu diskutieren. Marterbauer wäre seinem Ziel, Vermögens- und Erbschaftssteuern einzuführen, nähergekommen. In der Not wäre die Mehrheit der krisenmüden Wähler leichter dafür zu gewinnen. Oder Kapitalerträge oder jene aus Mieteinnahmen werden sozialversicherungspflichtig, um das Sozial- und Pensionssystem zu retten, wie man im Finanzressort schon einmal angedacht hat.
Was passiert dann? Die ÖVP hat die Wahl zwischen Pest und Cholera: Entweder sie steigt darauf ein und verliert endgültig das Vertrauen ihrer Kernwähler. Oder sie lässt die Regierung scheitern, riskiert Neuwahlen mit Spitzenkandidaten Christian Stocker und landet auf dem zweiten oder dritten Platz hinter der FPÖ Herbert Kickls. Der wird für eine Koalition noch mehr Zugeständnisse und unterhaltsame Kotaus von der ÖVP verlangen als bei den vergangenen Verhandlungen. Oder sie versucht es wieder mit der SPÖ und einem Dritten, dann liegen die neuen Steuern oder Abgaben wieder am Verhandlungstisch.
Aber die Positionierung der ÖVP ist gelinde gesagt auch schwierig bis inexistent: Vom Attribut Wirtschaftspartei ist nicht mehr viel übrig. Kleine Beispiele gefällig: Wenn der ÖVP-Klub unter Führung des Arbeitnehmerbunds ernsthaft die FPÖ dafür kritisiert, dass in deren Parlamentspartien die größten (Zu-)verdiener sitzen, reibt man sich die Augen. Stimmt schon, das passt nicht zum Image der Partei des vermeintlich kleinen Mannes, aber ein Angriff wegen Unternehmern in den Reihen? Eigentlich sollte sie die FPÖ dafür loben, nicht nur auf Berufspolitiker und Funktionäre zu setzen. Oder dafür sorgen, dass das in der Kammer-Bund-ÖVP auch wieder stärker passieren wird.
„Die Positionierung der ÖVP ist gelinde gesagt auch schwierig bis inexistent: Vom Attribut Wirtschaftspartei ist nicht mehr viel übrig.“
Rainer Nowak
Zweites Beispiel: Der beste Verkäufer seiner Politik, Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer, trifft Industrielle und Banker in kleiner Runde. Auf die drohende oder bereits eingesetzte Deindustrialisierung angesprochen, zählt er die Maßnahmen auf, die die Regierung für die Wirtschaft gesetzt hat, etwa die Abschaffung der Kassenbelege bei kleinen Beträgen. Vielleicht weiß er nicht, dass er auch Industrieminister ist.
Aber wir wollen die Lichtblicke nicht vergessen: Egal ob Mercosur-Abkommen oder Teilzeit-Wahn, der Mann spricht zumindest die richtigen Themen an und fürchtet keine Debatte. Ins Umsetzen muss er noch kommen…