Ein kleiner Wurf wär‘ ja schon ein Anfang

5. November 2025Lesezeit: 3 Min.
Kommentar von Georg Renner

Georg Renner ist freier Journalist in Niederösterreich und Wien mit Fokus auf Sachpolitik. Er betreibt den Politik-Podcast „Ist das wichtig?“ und publiziert unter anderem für „Datum“ und „WZ“. Zuvor war er nach Stationen bei der „Presse“, „NZZ.at“ und „Addendum“ Innenpolitikchef der „Kleine Zeitung“.

Bis Ende 2026 ist es noch ziemlich lang hin. Bis zu diesem Zeitpunkt wollen die schwarz-rot-pinke Koalition, Länder, Städte und Gemeinden mit ihrer „Reformpartnerschaft“ niederkommen, dem intern wie extern erhofften „großen Wurf“ dieser Regierungsperiode. Darin enthalten soll unter anderem eine – hoffentlich – umfangreiche Bereinigung der Zuständigkeiten in der Gesetzgebung und Verwaltung zwischen Bund und Ländern sein.

Nun mangelt es in diesem Bereich nicht an historischen und aktuellen Vorschlägen; mal zeigt sich eine Landeshauptfrau bereit, dem Bund alle Spitäler zu überlassen und dafür alle Schulen zu übernehmen; mal ein Landeshauptmann, alle Schulen von Wien aus planen zu lassen, aber dafür die Spitäler zu behalten. Wirklich koordiniert wirkt diese „Partnerschaft“ nicht in ihrer Kommunikation.

Wenn sich „Partner“ allzu oft öffentlich ausrichten, was sie eigentlich in vertraulicher Verhandlung sagen sollten, kommt am Ende gar nichts heraus.

Georg Renner

Das wäre ok, wenn da am Ende ein guter Kompromiss herauskommt – oder herauskäme. Aber die Erfahrung – etwa aus dem Verfassungskonvent Anfang des Jahrtausends und in den zähen Jahren „großer“ Koalition 2006-2017 zeigt: Wenn sich „Partner“ allzu oft öffentlich ausrichten, was sie eigentlich in vertraulicher Verhandlung sagen sollten, kommt am Ende gar nichts heraus. Das darf hier nicht passieren – und zwar nicht aus Angst vor Kickl und anderen Konkurrenten, sondern weil unsere über hundert Jahre alte Staatsarchitektur schlicht ein neues Betriebssystem braucht.

Eine Lösung, das drohende ein Jahr lange hin und her ohne sichtbare Bewegung – so etwas hält keine Partei aus, schon gar nicht schwarz und rot – zu brechen, wäre statt eines großen auf mehrere kleine Würfe zu setzen. Das mag kommunikativ nicht sexy und im Abtausch der Interessen schwierig sein; aber ein „kleiner Wurf“, der am Ende viel bewegt, wäre zumindest ein guter Anfang, um dem Projekt „Reformpartnerschaft“ ein bisschen Rückenwind zu verschaffen.

In manchen Bereichen – Schulen, Gesundheit, Armutsbekämpfung – ist es ja tatsächlich nicht eindeutig zu sagen, wo man sie am besten regelt. Das ist am Ende wirklich eine politische Frage: Will man die Länder zum Beispiel in Wettbewerb um Ärzte und Lehrer treten lassen? Wie garantiert man checks and balances? Wer tut sich leichter, unliebsame Entscheidungen zu treffen? Fragen, die man tatsächlich unterschiedlich beantworten kann, das braucht Abwägung und Diskussion.

Aber es sind nicht alle Gebiete so. Dass die Länder in der Gesetzgebung zur Stromerzeugung mitreden, hält nicht einmal dort noch jemand ernsthaft für sinnvoll. Dass in einem europäischen Strommarkt der Nationalrat regelmäßig um Zweidrittelmehrheiten ringen muss, um formal die Länder zu overrulen – selbst wenn es nur um marginale Korrekturen bei Ökostrom-Abgaben geht –, ist ein absurder Anachronismus.

Wenn die „Reformpartner“ schlau sind, beheben sie das – und verhandeln mit der Opposition, die sie ohnehin gerade für ihre Energiegesetze ElWG und EABG brauchen, eine Verschiebung der Stromkompetenz zum Bund, damit der in Zukunft schneller auf diesen sich rapide entwickelnden Markt reagieren kann. Es hat keinen Sinn, damit zuzuwarten bis Ende 2026 – und wäre ein Zeichen, dass sie sich am Ende doch bewegt.

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