"Wohin mit dem Geld?" von Monika Rosen

Europäische Gewinne im Wechselbad der Gefühle

16. Juni 2025Lesezeit: 2 Min.
Kommentar von Monika Rosen

Monika Rosen war mehr als 20 Jahre Chefanalystin einer heimischen Großbank. In ihrer aktuellen Funktion als Vizepräsidentin der Österreichisch-Amerikanischen Gesellschaft ist sie weiterhin gefragte Spezialistin zu allen Themen rund um den Finanzmarkt.

Nachdem die europäischen Börsen der Wall Street lange nicht das Wasser reichen konnten, hat sich die Dynamik heuer ins Gegenteil verkehrt. Viele der am besten performenden Aktien weltweit kommen aus der alten Welt, und Rüstung spielt dabei eine tragende Rolle. Allein Rheinmetall hat sich von Jänner bis Anfang Juni fast verdreifacht. Da nimmt sich der Anstieg einiger Banktitel (Societé Generale, Commerzbank) mit knapp 80% seit Jahresbeginn fast schon bescheiden aus.

Ein Motor der Entwicklung ist sicher die Tatsache, dass Europa angesichts des Kriegs vor der Haustür seine Investitionen in das Thema Sicherheit deutlich aufstocken muss. Das von Deutschland auf den Weg gebrachte Infrastruktur- und Rüstungspaket im Umfang von insgesamt fast einer Billion Euro spricht hier eine deutliche Sprache. Daneben hat aber auch die Erleichterung über die zumindest temporär aufgeschobenen Zölle die Börsenrallye beflügelt. Das lässt sich unter anderem an der Entwicklung der Gewinnprognosen ablesen, die seit Jänner fast eine Art Achterbahnfahrt hinter sich haben.

Die europäischen börsennotierten Unternehmen haben im 1. Quartal 2025 wohl ein Gewinnwachstum von 2,3 % geschafft (noch liegen nicht alle Ergebnisse vor). Im Jänner, rund um den Amtsantritt von Trump und noch bevor die Zollpläne wirklich klar waren, hatten die Analysten einen Gewinnanstieg von 3,5 % für das 1. Quartal erwartet. Anfang April, als die Turbulenzen rund um die Zölle einen Höhepunkt erreicht hatten, lagen die Erwartungen dann bei einem Rückgang (!) im Ausmaß von 3,5%. Und der Pessimismus der Unternehmen hat im bisherigen Jahresverlauf auch deutlich zugenommen. Über 40% der befragten Firmenlenker erwarten aktuell einen deutlichen Rückgang der Exporterlöse. Vor den Zollankündigungen vom 2. April lag diese Quote lediglich bei 5%.

Man kann also zusammenfassend von einem Wechselbad der Gefühle sprechen. Einerseits dürften die Zölle wohl nicht so viel Schaden anrichten, wie im ersten Moment befürchtet. Andererseits ist die Verunsicherung bei den Unternehmen deutlich gestiegen. Ob sie das bei den Börsianern auch noch tut, wird sich wohl über den Sommer zeigen.

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