Harald Mahrers Glück und Ende
Rainer Nowak ist CEO der Tageszeitung „Die Presse“. Zuvor war er Journalist und Ressortleiter für Wirtschaft und Politik bei der „Kronen Zeitung“ und davor Chefredakteur, Herausgeber und Geschäftsführer der Tageszeitung „Die Presse“.
Es handelt sich vielleicht um den ersten Rücktritt in der Geschichte, den ein national bekannter Chef eines Unternehmens vollziehen musste, da er seine Mitarbeiter zu großzügig entlohnen und dies dann mit Taschenspielertricks verschleiern wollte. Aber das klingt nach Mitleid mit Harald Mahrer und das hat er nicht verdient. So tief ist sein Fall nicht.
Nein, Harald Mahrer hat schon ein paar Böcke geschossen. In einer wirtschaftlichen Hochkonjunktur mit Budgetüberschuss und Exporthöhenflügen wäre das alles nicht so schlimm gewesen. Aber dauernd KV-mäßigendes Wasser predigen und dann den von Roman Hebenstreit gepriesenen Gewerkschaftswein trinken, geht gar nicht. Die Löhne müssen runter, oder zumindest nicht rauf. Dass Kammerländer-Obfrauen, die sich gerade noch selbst eine satte Gehaltserhöhung gegönnt hatten, den ersten Stein warfen, passt ins Österreich-Bild. Ebenso, dass plötzlich breite Kritik von Journalisten an der Abgehobenheit des Präsidenten laut wurde, die noch gerade den Koffer von der letzten Expo-Lustreise der Kammer für Journalisten und Co. ausgepackt hatten, oder sich zumindest noch an den kleinen Kater nach dem jüngsten Medienempfang Mahrers grinsend erinnern können, passt ins österreichische Lokalkolorit. Mahrer litt nie an Selbstzweifel oder Bescheidenheit, direkt kritisiert hat ihn kaum wer dafür. Wenn man dies subtil formulierte, reagierte er fast erstaunt.
Mahrer litt nie an Selbstzweifel oder Bescheidenheit, direkt kritisiert hat ihn kaum wer dafür.
Rainer Nowak
Vor allem aber bedeutet der Fall einen Ansehensverlust des ohnehin überschaubar einflussreichen Wirtschaftsflügels der ÖAAB-Bauern-ÖVP, der gesamten Partei und der Wirtschaft generell. Im zweieinhalbten Rezessionsjahr mit Deindustrialisierung und Produktivitätsverlusten fällt nun ein Mahner in der Wüste aus.
Bis ein neuer aufgebaut ist, der breitenwirksam auf den an die Wand gefahrenen Wirtschaftsstandort aufmerksam machen kann, werden eben wieder ein paar Unternehmen verschwinden. Kann man lustig finden, muss man aber nicht, wenn man noch immer gegen das Auswandern ist. Mahrer war vielleicht einer der Eitlen in der eitlen Politik, er war aber auch einer der wenigen wirklich Gebildeten, Offenen und Gescheiten in der sehr schlichten österreichischen Politik. Und es wird wieder ein paar Menschen die Gewissheit geben: Niemals, niemals in die Politik gehen! Ein paar Wochen Fehler, Instinktlosigkeit und handwerkliches Versagen und du kannst mit Schimpf und Schande abtreten.
Mahrer war vielleicht einer der Eitlen in der eitlen Politik, er war aber auch einer der wenigen wirklich Gebildeten.
Rainer Nowak
Umso härter trifft dieses Schicksal einen, der bisher der Gustav Gans der ÖVP war: Jahrzehnte lange hörte ihm die Parteispitze zu. Als seine einstigen Buddies – wie er von der ÖVP frustriert – die Neos gründeten, blieb er der ÖVP-Parteisoldat, diente als einziger in Partei sowohl Reinhold Mitterlehner als auch Sebastian Kurz. Er wurde Staatssekretär, Minister, wechselte an die Spitze der Kammer, konnte den Fall von Kurz und dessen gesamter Truppe aus sicherer Distanz verfolgen. Sein Einfluss stieg sogar, beim Regierungsverhandlungsabbruch mit der FPÖ spielte er ebenso eine zentrale Rolle wie bei der Bildung der Dreierkoalition. Dass ihm dafür die Häme der FPÖ und ihrer Helfer sicher ist, versteht sich von selbst. In den vergangenen Monaten sprach er am liebsten von seiner Zeit mit seinem kleinen Kind. Die hat er nun, in so einer Situation ist dies tatsächlich ein großer Lichtblick. Die Rücktritts-ÖVP hat gerade keinen. Österreich auch nicht wirklich.