Rezession zu Ende: Jetzt nur ja nicht jubeln!

Georg Renner ist freier Journalist in Niederösterreich und Wien mit Fokus auf Sachpolitik. Er betreibt den Politik-Podcast „Ist das wichtig?“ und publiziert unter anderem für „Datum“ und „WZ“. Zuvor war er nach Stationen bei der „Presse“, „NZZ.at“ und „Addendum“ Innenpolitikchef der „Kleine Zeitung“.
Dieser Herbst kommt wohlstandspolitisch kalt-warm daher. Die Inflation bleibt hoch, eine der höchsten in Europa. Diverse Anpassungen – Kollektivlöhne, Pensionen, Familienbeihilfe und Kinderbetreuungsgeld, nicht aber der Parteienförderung – bleiben hinter der Geldentwertung zurück, werden also effektiv gekürzt. Auf der anderen Seite steigen zahlreiche Abgaben weiter. Prominente Firmenpleiten dominieren die Wirtschaftsseiten, die Arbeitslosigkeit steigt.
Aber es ist nicht alles schlecht: Zumindest der Bund ist in Sachen Budgetkonsolidierung auf Kurs, er wird das Jahr voraussichtlich mit ein paar hundert Millionen Euro weniger neuen Schulden abschließen als noch im schwarz-rot-pinken Budget vom April erwartet. Auch in den Ländern, die im Gegensatz zum Bund unter ihren Plänen liegen, scheint man den Ernst der Lage erkannt zu haben und schnürt nicht nur an Sparpaketen, sondern verhandelt Teilnehmern zufolge offenbar ziemlich ernsthaft mit der Bundesregierung über eine Aufgaben- und Finanzierungsreform.
Die beste Nachricht kommt jedoch von den Wirtschaftsforschungsinstituten: Wifo und IHS sehen ein Ende der Rezession. Schon heuer dürfte Österreichs BIP zum ersten Mal seit zwei Jahren mit 0,3 % bzw. 0,4 % wieder bescheiden wachsen.

Licht am Ende des Tunnels, sozusagen. Die Politik sollte sich davon aber nicht blenden lassen: Nicht nur ist das nicht ihr Verdienst, sondern jener der österreichischen Konsumenten und Unternehmerinnen. Das Wachstum ist auch nur ein sehr, sehr zartes Pflänzchen, das sie hegen und pflegen sollte – und dem sie vor allem Raum geben muss.
Was heißt das in konkreter Politik? Einerseits muss die Koalition der Versuchung widerstehen, beim ersten Hauch Morgenluft sofort die (zahlreichen) Projekte zu beschließen, die im Regierungsprogramm „unter Budgetvorbehalt“ gelistet sind. Ja, mag sein, dass der Bund heuer ein paar Millionen Euro über Plan liegt und dass dank der Wirtschaft und des Verzichts auf die oben erwähnten Anpassungen noch ein wenig mehr Spielraum dazukommt.
Aber über den Berg sind wir noch lange nicht – von den EU-Grenzen für die Neuverschuldung sind wir ebenso weit entfernt wie von nachhaltigem Wachstum. Jetzt sofort teure Prestigeprojekte in Angriff zu nehmen, statt jeden Cent in die Sanierung des Staatshaushalts zu investieren, wäre vermessen. Steuersenkungen, neue Förderungen, neue Büros – das muss warten.
Kluge Politik wäre es jetzt, stattdessen auf billige Reformen zu setzen, die der heimischen Wirtschaft Raum zum Wachsen geben. Eine kluge, wachstumsorientierte Außenpolitik gehört da dazu: Dass die Regierung geprügelt wurde, vergangene Woche trotz Inflation den Startschuss zu einer Afrika-Strategie zu geben, ist widersinnig – Kritik hätte eher verdient, dass es eine solche Strategie für Zukunftsmärkte nicht schon längst gibt.
Die wichtigsten Aufgaben bleiben aber im Inland: Deregulierung ist ein komplexes Thema, das neben Bund, Ländern und Gemeinden auch Institutionen wie Kammern und Normungsgremien beschäftigen sollte. Das heißt aber nicht, dass es keine „quick wins“ gäbe. Die Verfahrensgesetz-Novelle und das Erneuerbaren-Beschleunigungsgesetz, die die Koalition gerade in Begutachtung geschickt hat, müssen rasch umgesetzt werden. Und wenn das Unimarkt-Ende ein Echo in der Innenpolitik finden sollte, dann dass Selbstbedienungs-Boxen endlich aus dem Öffnungszeitengesetz gestrichen gehören.
Das zarte Wachstum verschafft der Regierung gerade eine Chance – sie muss sie nutzen.