Zeitgeschichten von Gerhard Jelinek

Selbst die Kronjuwelen können das Budget nicht retten

13. November 2025Lesezeit: 5 Min.
Kommentar von Gerhard Jelinek

Gerhard Jelinek ist ein österreichischer Journalist, Fernsehmoderator und Buchautor. Der Jurist und erfahrene Journalist gestaltete rund 70 politische und zeitgeschichtliche Dokumentationen und Porträts.

Österreich schlittert in ein Budgetdefizit von 4,9 Prozent – trotz höchster Steuerbelastung. Welch ein Glück, dass in Kanada ein Juwelenschatz der Habsburger gefunden wurde. Der SPÖ-Vorsitzende wittert „Staatseigentum“. Befreit der gelbschimmernde Diamant von Herzog Karl dem Kühnen Österreich aus der Schuldenkrise? Fragen über Fragen!

Läuft das Budgetdefizit aus dem Ruder, weil die Bundesländer und da vor allem Wien, auf Teufel komm raus Schulden machen, findet sich im fernen Kanada ein Diamantenschatz. So fein, so ein Zufall. Und der Herr Vizekanzler will „unverzüglich“ prüfen lassen, ob die Juwelen, darunter der Diamant „Florentiner“ gar Staatseigentum sind.

Dieses Vorhaben – (im Vertrauen: Es wird ohnehin nie realisiert) kann sich Andreas Babler sparen. Denn die Geschichte des sagenhaft verschwundenen „Habsburger Schatzes“ ist im Laufe der vergangenen 107 Jahre schon x-mal untersucht und „aufgearbeitet“ und in Büchern mit allen Geheimnissen beschrieben worden. 

Außer Spesen für die Republik (genehme Gutachter und Anwälte arbeiten selten gratis) wird nichts herauskommen. Der Wert der gefundenen (eigentlich nie verlorenen) Schmuckstücke mag zwar beträchtlich, doch in Relation zu den Finanzbedürfnissen der Republik unbeachtlich sein.

Der Wiener Juwelier A.E. Köchert bestätigte in einem Gutachten die Echtheit der in einem kanadischen Banksafe bewahrten historischen Schmuckstücke. Das war nicht zu schwer. Immerhin hat das Haus am Wiener Neuen Markt seinerzeit die edlen Stücke für das Kaiserhaus angefertigt und alle Entwurfskizzen und auch die Rechnungen fein säuberlich aufbewahrt. So kann das seit 1814 im Familienbesitz befindliche Unternehmen nachvollziehen, was seinerzeit eine Diamantenschleife für Kaiserin Elisabeth (in den ungarischen Nationalfarben) gekostet haben mag. Der Wert heute würde sich aber nicht nur nach dem Gewicht der glitzernden Steine richten, falls irgendwelche Barbaren auf die Idee kämen, das historische Stück im Pfandhaus zu versetzen.

Auch der gelblich schimmernde Diamant „Florentiner“, der einst mit seinen 137 Karat (nicht viel schwerer als 27 Gramm und groß wie eine Haselnuss) der viertgrößte Diamant der Welt gewesen sein soll, würde Millionen im Dorotheum oder bei Sotheby einspielen. Wie viele? Einen Marktpreis für derlei Pretiosen gibt es nicht. Mehr als das Gewicht entscheiden bei solchen Steinen Reinheit und historischer Hintergrund. 

Der „Cullian I“, immerhin Teil des Zepters des englischen Königshauses, wird auf 300 bis 400 Millionen Euro geschätzt, liegt aber im Tower of London und ist eher unverkäuflich. Der sogenannte „Hope“-Diamant ist deutlich kleiner, gilt aber als schönster „blauer Diamant“ und steht mit 250 Millionen Euro zu Buche. Aber angesichts einiger chinesischer oder amerikanischer Milliardäre, die vielleicht etwas Nobles unter den Christbaum legen wollen, wäre sicher ein höherer Preis zu erzielen.

Der vergleichsweise kleine „Blue Moon“ wurde 2015 vom chinesischen Unternehmer Joseph Lau für seine damals siebenjährige Tochter um 45 Millionen Dollar ersteigert. Herr Lau ist mittlerweile wegen Korruption verurteilt und irgendwie auf der Flucht.

Der „Florentiner“ ist angeblich aus dem Besitz des burgundischen Herzogs Karl dem Kühnen über diverse Umwege in den Besitz von Franz Stephan von Lothringen gelangt, der sich den Diamanten für seine Krönung zum Deutschen Kaiser in die Krone einsetzen ließ. So kam der Stein nach Wien und zierte die Vitrine Nr. XIII in der Schatzkammer, bis an einem Oktoberwochenende anno 1918 der damalige Obersthofmeister drei Dutzend Schmuckstücke aus der Vitrine entnehmen ließ und den Privatschmuck des Kaiserhauses in einem braunen Köfferchen und mit der Westbahn in die Schweiz brachte. Sicherheitshalber. Im dunklen Oktober 1918 dämmerte es Kaiser Karl in Schönbrunn, dass der Weltkrieg verloren und die Habsburger-Dynastie Geschichte sein könnte. Einen guten Teil der Schmuckstücke musste der Kaiser im Exil peu a peu verkaufen, um das Leben seiner Familie und die eher sinnlosen Restaurationsversuche zu finanzieren. Was übrig blieb, lag in einem kanadischen Schließfach über 100 Jahre verborgen – nicht mehr lange.

Denn der SPÖ-Chef Andreas Babler, derzeit Vizekanzler der Republik, beruft sich auf das damals von Karl Renner & Co. durchgesetzte Habsburger-Enteignungsgesetz aus dem Jahre 1919. 

Wenn es so einfach wäre: Das nämliche Gesetz wurde von der autoritären Regierung des bekennenden Legitimisten Kurt von Schuschnigg 1935 aufgehoben, aber ein paar Jahre später von der nationalsozialistischen Okkupationsregierung Adolf Hitlers am 14. März 1939 unter dem sperrigen Titel „Gesetz über die Rückgängigmachung der Ausfolgung von Vermögen an das Haus Habsburg-Lothringen“ wieder in Kraft gesetzt. Die Vermögenswerte wurden neuerlich beschlagnahmt. Das Eigentum ging teilweise auf das Deutsche Reich und teilweise auf die Stadt Wien über.

So verworren verläuft Geschichte.

Die Republik Österreich beruft sich also auf ein Gesetz, das die Nationalsozialisten wieder in Kraft setzten und das 1945 und 1955 in den Rechtsbestand der Zweiten Republik überging – was wohl einen üblen Beigeschmack hat.

Zum Familiensilber (eher Gold) zählten damals fünf stattliche Zinshäuser in Wien, Wertpapiere und nebst den Schlössern Laxenburg und Eckartsau auch zweitausend Hektar Wald in Oberösterreich. Obwohl sich ein Teil der Familie Habsburg jahrzehntelang um eine Rückgabe des enteigneten Vermögens bemühte, blieb die Republik hartnäckig. Die juristischen Tricks, die dabei benutzt wurden, wären eine eingehende historische Betrachtung wert.

Kulturminister Babler hofft jetzt tatsächlich, die Schmuckstücke nach Wien zurückholen zu können: „Falls der Florentiner Diamant Eigentum der Republik Österreich ist, werde ich den Prozess zur Rückholung des Juwels einleiten.“ Das wird freilich mehr kosten, als bringen. Selbst bei einem theoretischen Wert der Glitzersteine von ein paar Hundert Millionen Euro dürfen sie eh nicht verkauft werden. Es geht ja ums historische Erbe, ganz ohne Erbschaftssteuer.

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